Rz. 65
Ein Gesellschafterbeschluss ist nach § 110 Abs. 2 S. 1 HGB (zwingend) von Anfang an (mit ex tunc-Wirkung) nichtig, wenn (als abschließende Auflistung) er
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durch seinen Inhalt Rechtsvorschriften (d.h. eine jede Rechtsnorm oder der Gesellschaftsvertrag) verletzt, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können, womit aber nicht gemeint ist, "dass Verstöße gegen die Regeln, wie ein Beschluss zustande (…), nie zur Nichtigkeit eines Beschlusses führen könn(t)en" – auch Verstöße gegen Formvorschriften sollen erfasst werden (Nr. 1 – Grenze des zwingenden Rechts [z.B. Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung], die aber im Personenhandelsgesellschaftsrecht wegen der umfassenden Gestaltungsfreiheit [vgl. § 108 HGB] weiter als im Aktienrecht gezogen ist), oder |
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nach einer Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist (Nr. 2 – entsprechend § 241 Abs. 5 AktG). |
§ 110 Abs. 2 HGB "regelt im Gleichlauf zur Anfechtbarkeit die Nichtigkeit eines Beschlusses und führt den Begriff der Nichtigkeitsklage in das Gesetz ein".
a) Verstoß gegen zwingendes Recht
Rz. 66
Wenn ein Beschluss seinem Inhalt nach gegen die "guten Sitten" nach § 138 BGB verstößt, ist er nichtig. Hierzu bedarf es keiner besonderen klarstellenden Regelung entsprechend § 241 Nr. 4 AktG.
Von Rechtsvorschriften zwingenden Rechts, deren entsprechender Charakter im Wege der Auslegung der konkret in Rede stehenden Norm zu ermitteln ist (z.B. ein vollständiger Entzug [nicht bloße Einschränkung] des Kontroll-, Informations- oder Kündigungsrechts bzw. des Rechts auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung einschließlich des Rede- und Antragsrechts nebst Klagerecht gegen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse führt zur Nichtigkeit entsprechender Beschlüsse), sind "solche Rechte, die, wie z.B. Sonderrechte der Gesellschafter, zwar ebenfalls zum Kernbereich der Mitgliedschaft gehören, in die aber nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingegriffen werden darf (relativ unentziehbare Rechte)" abzugrenzen. Eine Zustimmung kann auch antizipiert erklärt werden (bspw. indem ein Gesellschafter sich in Bezug auf eine Mehrbelastung nach § 710 BGB [Mehrbelastungsverbot] gesellschaftsvertraglich einer Mehrheitsklausel unterwirft).
Eingriffe in relativ unentziehbare Rechte unterliegen in diesem Fall der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftermehrheit. Dabei gilt folgender Prüfungsmaßstab:
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Ist der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten? |
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Ist der Eingriff dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar? |
Das Fehlen einer entsprechenden Zustimmung macht den Beschluss weder nichtig noch anfechtbar, sondern unwirksam. Damit ist der Gesellschafter nicht ohne seine Zustimmung an den Beschluss gebunden. Er kann die Zustimmung auch noch ereilen.
b) Gesellschafterbeschluss ist durch Anfechtungsklage rechtskräftig für nichtig erklärt worden
Rz. 67
§ 110 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB ist § 241 Nr. 5 AktG nachgebildet. "Das auf die Anfechtungsklage ergehende, der Klage stattgebende Urteil vernichtet den Gesellschafterbeschluss mit Eintritt seiner Rechtskraft rückwirkend mit gestaltender Wirkung für und gegen jedermann" (ex tunc-Nichtigkeit mit rechtskräftigem Urteil). Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Beschluss (vorläufig) wirksam – "mit Ablauf der Anfechtungsfrist wird er endgültig wirksam (Grundsatz der fehlerunabhängigen Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen)".
Die Vorschrift hat einen eigenen Regelungsgehalt u...