Rz. 40

Die Neuregelung des § 109 HGB, die "in Abgrenzung zur Geschäftsführung die Grundlagen der gesellschaftsinternen Willensbildung und Entscheidungsfindung durch Beschlussfassung der Gesellschafter"[65] regelt (wohingegen § 109 HGB alt den Gesellschaftsvertrag geregelt hatte), hat folgenden Wortlaut:

 

(1) Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst.

(2) Die Versammlung kann durch jeden Gesellschafter einberufen werden, der die Befugnis zur Geschäftsführung hat. Die Einberufung erfolgt durch formlose Einladung der anderen Gesellschafter unter Ankündigung des Zwecks der Versammlung in angemessener Frist.

(3) Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der Zustimmung aller stimmberechtigten Gesellschafter.

(4) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn die anwesenden Gesellschafter oder ihre Vertreter ohne Rücksicht auf ihre Stimmberechtigung die für die Beschlussfassung erforderlichen Stimmen haben“.

[65] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 225.

1. Regelungsgehalt

 

Rz. 41

§ 109 HGB gestattet im Unterschied zur Parallelregelung des § 714 BGB nicht nur Mehrheitsbeschlüsse. Vielmehr werden auch Teile des Beschlussverfahrens geregelt. Ungeregelt bleibt hingegen das Zustandekommen eines Beschlusses.

Die höhere Regelungsdichte des § 109 HGB im Vergleich zu § 714 BGB folgt aus der Einführung des neuen Beschlussmängelrechts für Personenhandelsgesellschaften in den §§ 110 bis 115 HGB. Vorbild dafür ist das aktienrechtliche Anfechtungsmodell. Um Rechtssicherheit über die Bestandskraft eines Beschlusses zu schaffen, bedarf es im Regelfall eines Festhaltens des Beschlusses in einer Weise, "dass Unsicherheiten über dessen Zustandekommen und Ergebnis möglichst vermieden werden",[66] d.h. einer gewissen Formalisierung des Beschlussverfahrens.

 

Rz. 42

In § 109 HGB werden die Grundlagen des Beschlussverfahrens geregelt, die durch § 112 Abs. 2 HGB (wonach die Klagefrist für eine Anfechtungsklage "mit dem Tag [beginnt], an dem der Beschluss dem anfechtungsberechtigten Gesellschafter bekanntgegeben worden ist") ergänzt werden.

Über § 161 Abs. 2 HGB gelangt § 109 HGB auch auf die KG entsprechend zur Anwendung.

Im Gesellschaftsvertrag können im Rahmen der durch die Gestaltungsfreiheit nach § 108 HGB vorgegebenen Grenzen abweichende Regelungen getroffen werden.

[66] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 225.

2. Beschlussfassung in Versammlungen

 

Rz. 43

Die Beschlüsse der Gesellschafter werden nach § 109 Abs. 1 HGB in (Gesellschafter-)Versammlungen gefasst, da "die Versammlung (…) im Regelfall durch die Möglichkeit zur Rede und direkten Widerrede im Kreis der Versammlungsteilnehmer eine optimale Willensbildung und Entscheidungsfindung bei gleichmäßiger Informationsversorgung [gewährleistet]".[67]

 

Rz. 44

Versammlung setzt ein Zusammenkommen mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck, aber nicht notwendigerweise an einem bestimmten Ort, voraus[68] – weshalb eine Beschlussfassung sowohl in einer Präsenzversammlung (auch ad hoc)[69] als auch in einer virtuellen Versammlung (bspw. im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz) zulässig ist,[70] nicht jedoch im Umlaufverfahren.[71]

Die eigentliche Beschlussfassung ist zu unterscheiden von einer Beschlussfeststellung.

 

Rz. 45

Beschlussfeststellung ist die verbindliche Dokumentation eines gefassten Beschlusses durch einen Versammlungsleiter,[72] die zwar nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Beschlusses ist,[73] aber in einem solchen Sinne konstitutive Wirkung entfaltet, "dass sie die Rechtsschutzmöglichkeiten in Gestalt der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage oder der Feststellungsklage vorgibt".[74]

Da sich die Modalitäten einer Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter nach Ansicht des Gesetzgebers einer abstrakt-generellen Regelung entziehen, sollen sie (wie im Beschlussmängelrecht der GmbH) einer Klärung durch die Rechtsprechung vorbehalten bleiben.[75]

 

Beachte:

Die Gesellschafter können auch eine vereinfachte Form der Beschlussfassung (bspw. zum Beispiel im Umlaufverfahren auf schriftlichem Wege) ausdrücklich vereinbaren – ohne dass der Gesetzgeber hierfür Vorgaben getroffen hat.[76]

[67] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 226.
[68] Ein "Gesellschafterausflug" reicht nicht aus: Schäfer/Grunewald, § 5 Rn 28.
[69] Schäfer/Grunewald, § 5 Rn 28.
[70] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 226.
[71] Umstritten, so aber Schäfer, ZIP 2021, 1527, 1528; a.A. hingegen Schäfer/Grunewald, § 5 Rn 29: Umlaufverfahren, an dem alle Gesellschafter (ohne zu widersprechen) teilnehmen.
[72] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 226.
[73] Vgl. BGH, Urt. 11.12.2006 – II ZR 166/05, NJW 2007, 917, juris Rn 19; OLG Celle, Urt. v. 15.5.1996 – 9 U 185/95, GmbHR 1997, 172, juris Rn 20.
[74] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 226.
[75] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 226.
[76] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 226.

3. Modalitäten der Einberufung der Versammlung

 

Rz. 46

Die Versammlung kann nach § 109 Abs. 2 S. 1 BGB durch jeden Gesellschafter, der die Befugnis zur Geschäftsführung hat (vgl. § 116 HGB), einberufen werden (und nicht, wie ursprünglich im RegE vorgesehen, durch "jeden Ge...

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