Prof. Dr. Rainer Deininger
Rz. 77
Nicht selten hinterlassen Emigranten unbewegliches Vermögen in Deutschland (z.B. vermietete Immobilen) sowie Kapitalvermögen auf deutschen Banken und Anteile an deutschen Gesellschaften. Diese Vermögenswerte können erbschaftsteuerrechtlich relevant sein.
I. Unbewegliches Vermögen
Rz. 78
Gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA Schweiz/Deutschland (E) gilt für unbewegliches Vermögen das Belegenheitsprinzip. Unbewegliches Vermögen, das ein Erblasser, der im Zeitpunkt des Todes im Wohnsitzstaat ansässig war, im Belegenheitsstaat besaß, kann entsprechend im Belegenheitsstaat besteuert werden. Die in Deutschland belegene Immobilie einer in die Schweiz emigrierten Person wird somit durch Deutschland der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 2 Bewertungsgesetz unterworfen.
II. Kapitalvermögen
Rz. 79
Kapitalvermögen fällt unter den Begriff des sonstigen Vermögens, das nach Art. 8 Abs. 1 DBA Schweiz/Deutschland (E) grundsätzlich vom Wohnsitzstaat des Erblassers zu besteuern ist. Das würde bedeuten, dass das auf dem Konto bei einer deutschen Bank befindliche Kapitalvermögen eines Emigranten bei dessen Tod in der Schweiz zu versteuern wäre. Jedoch kann Deutschland nach Art. 8 Abs. 2 S. 1 DBA Schweiz/Deutschland (E) sein Besteuerungsrecht ausüben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügte oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Aufgrund der Tatsache, dass auch die Schweiz nach Art. 8 Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz/Deutschland (E) ihr Besteuerungsrecht weiterhin ausüben kann, bedarf es einer Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b S. 1 DBA Schweiz/Deutschland (E) wird die Doppelbesteuerung in diesem Fall über die Anrechnungsmethode vermieden, d.h. Deutschland rechnet auf die nach deutschem Recht festgesetzte Steuer die Schweizer Steuer, die auf das Kapitalvermögen anfällt, an. Maximal anrechenbar ist nach Art. 10 Abs. 1 lit. b S. 2 DBA Schweiz/Deutschland (E) der Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer, der auf das Vermögen entfällt, das in der Schweiz besteuert werden kann.
Rz. 80
Nach deutschem Erbschaftsteuerrecht fällt das Kapitalvermögen in den Anwendungsbereich der erweitert beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 4 Abs. 1 AStG i.V.m. § 34c Abs. 1 EStG und § 34d EStG. Das auf dem Konto bei einer deutschen Bank befindliche Kapitalvermögen ist sog. inländisches Vermögen, da es nach Maßgabe des § 34d Nr. 6 EStG nicht unter den Begriff der ausländischen Einkünfte fällt. Grund hierfür ist, dass der Schuldner, also die betreffende deutsche Bank, weder Geschäftsleitung noch Sitz im Ausland hat, wie dies § 34d Nr. 6 EStG für das Vorliegen von ausländischen Einkünften erfordert.
III. Anteile/Beteiligungen an deutschen Gesellschaften
Rz. 81
Anteile/Beteiligungen an deutschen Kapital- oder Personengesellschaften, die sich im Privatvermögen des Emigranten befinden, fallen wie das Kapitalvermögen unter den Begriff des sonstigen Vermögens i.S.v. Art. 8 DBA Schweiz/Deutschland (E). Die vorstehenden Ausführungen zum Kapitalvermögen sind daher sinngemäß übertragbar.
Rz. 82
Dagegen sind die Anteile/Beteiligungen an deutschen Kapital- oder Personengesellschaften, die zum Betriebsvermögen einer Betriebsstätte eines Unternehmens gehören, unterschiedlich zu behandeln. Ist der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes im Wohnsitzstaat ansässig, wird gem. Art. 6 Abs. 1, Abs. 9 S. 1 DBA Schweiz/Deutschland (E) das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte eines Unternehmens, welche der Erblasser außerhalb seines Wohnsitzstaates hatte, im Betriebsstättenstaat besteuert. Das bedeutet, dass im Fall von Anteilen/Beteiligungen an deutschen Kapital-/Personengesellschaften einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte eines in der Schweiz verstorbenen Erblassers diese Anteile in Deutschland der Besteuerung unterliegen.