Prof. Dr. Rainer Deininger
Rz. 73
Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz/Deutschland hält als Grundregel fest, dass Arbeitseinkünfte aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nur im Ansässigkeitsstaat des unselbstständig Erwerbstätigen besteuert werden können. Von dieser Grundregel ausgenommen sind Einkünfte von Personen, die als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Kapitalgesellschaft tätig sind. Diese Einkünfte werden dem Sitzstaat der Gesellschaft zur Besteuerung zugewiesen. Dies unter dem Vorbehalt, dass die Aufgaben nicht nur außerhalb des Sitzstaates der Gesellschaft durchgeführt werden und es sich bei diesen Arbeitnehmern nicht um Grenzgänger handelt. Dieser in Abs. 4 exakt vorgegebene Personenkreis leitender Angestellter wurde im Rahmen einer Verständigungsvereinbarung noch dahingehend präzisiert, dass stellvertretende Direktoren, Vize- und Generaldirektoren ebenfalls darunter fallen, andere Angestellte in leitender Funktion wie Handlungsbevollmächtigte jedoch nicht vom Anwendungsbereich erfasst seien. Da es jedoch zusehends zu Abgrenzungsschwierigkeiten gekommen war, wurde im Rahmen einer Konsultationsvereinbarung festgelegt, dass Abs. 4 lediglich angewendet wird, sofern die Prokura oder Funktion im Handelsregister eingetragen ist, um Kompetenzkonflikte zukünftig vermeiden zu können. Dies wurde sodann im Rahmen des § 19 der Deutsch-Schweizerischen Konsultationsvereinbarungsverordnung vom 20.10.2010 (KonsVerCHEV) auch in nationales Recht überführt. In einem Urteil vom 30.9.2020 hat der BFH dann jedoch entschieden, dass mit dem Erfordernis der Funktionsbezeichnung im Handelsregister ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal in § 19 KonsVerCHEV vorgesehen werde, das dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz/Deutschland nicht zu entnehmen sei. Insofern verstoße die KonsVerCHEV gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Wie im zu beurteilenden Fall reiche eine Eintragung im Handelsregister, wonach die Person die "Kollektivunterschrift zu zweien" innehabe, auch ohne zusätzliche Funktionsbezeichnung aus, um den Anforderungen nach Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz/Deutschland zu genügen.
Rz. 74
Werden die betreffenden Arbeitnehmer dagegen als Grenzgänger i.S.v. Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz/Deutschland qualifiziert, liegt das Besteuerungsrecht wiederum beim Ansässigkeitsstaat der Grenzgänger, analog der Grundsatzregel nach Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz/Deutschland.
Rz. 75
Wiederum gesondert geregelt werden Bezüge und Vergütungen, die eine in der Schweiz ansässige Person von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsmitglied dieser Gesellschaft erhält. Diese Zahlungen können nach Art. 16 DBA Schweiz/Deutschland im Sitzstaat der Gesellschaft, vorliegend somit durch Deutschland besteuert werden.