Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1535
In eine Unterhaltsberechnung ist nur derjenige Teil des Einkommens einzubeziehen, der zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs zur Verfügung steht und bisher dafür eingesetzt wurde bzw. bei Anlegung eines objektiven Maßstabs dafür eingesetzt werden könnte. Dies ist das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen.
Rz. 1536
Die Berechnung erfolgt, in dem von den Bruttoeinkünften dasjenige abgezogen wird, was für andere Zwecke als den laufenden Lebensbedarf verwendet werden muss und deshalb unterhaltsrechtlich als zulässiger Abzugsposten anerkannt werden kann.
Rz. 1537
Abzuziehen sind alle nach der Trennung entstandenen Änderungen steuerlicher Art, Vorsorgeaufwendungen, berufsbedingte Aufwendungen, etwaige Kinderbetreuungskosten, alters- oder krankheitsbedingter Mehrbedarf, berücksichtigungswürdige Schulden sowie alle bis zum Zeitpunkt der Scheidung entstandenen Unterhaltslasten (auch wenn es sich um ein Kind aus einer neuen Verbindung handelt).
Rz. 1538
Ebenfalls sind bei der Bedarfsermittlung geschiedener Eheleute die nach der Scheidung entstandenen erhöhten Ausgaben durch Steuern, Vorsorgeaufwendungen, berufsbedingte Aufwendungen, etwaige Kinderbetreuungskosten, anerkennenswerte Schulden und neue Unterhaltslasten zu berücksichtigen. Mehrausgaben dürfen aber nicht auf unterhaltsbezogen leichtfertigem Verhalten beruhen. Der Bedürftige nimmt nach Trennung und Scheidung an einer Einkommenserhöhung des Pflichtigen und auch an einer nicht vorwerfbaren Einkommensminderung des Pflichtigen teil.
Rz. 1539
Zunächst hatte der BGH nach Scheidung der Ehegatten auch die Unterhaltsbelastung durch einen neuen Ehegatten im Wege der Dreiteilung berücksichtigt. Der BGH prägt in diesem Zusammenhang den Begriff von den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen".
Das BVerfG hob mit Entscheidung vom 25.1.2011 die vom BGH entwickelte Rechtsprechung von den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen unter Anwendung der Berechnungsmethode der sogenannten Dreiteilung bei Wiederheirat des Pflichtigen wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG wegen Verfassungswidrigkeit auf. Das BVerfG begründete dies damit, dass die Berücksichtigung des Unterhalts des neuen Ehegatten beim Bedarf des Geschiedenen jeden Bezug zu den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 Abs. 1 BGB verloren habe.
Rz. 1540
In den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen dürfen danach nur Entwicklungen nach der Scheidung einbezogen werden, die entweder in der Ehe angelegt sind oder bei Einkommensreduzierungen nicht leichtfertig entstanden und ohne die Scheidung auch eingetreten wären. Veränderungen, die eine Scheidung der Ehe voraussetzen, also eine Unterhaltsbelastung durch einen neuen Ehegatten, sind dagegen beim Bedarf des Geschiedenen nicht zu berücksichtigen.
Rz. 1541
Der Begriff der wandelbaren Lebensverhältnisse in der Rechtsprechung des BGH findet allerdings weiter Anwendung, weil er sich darauf bezieht, dass die Lebensstandardgarantie nach Scheidung der Ehe nicht mehr gegeben ist und Einkommensreduzierungen nach der Scheidung zu berücksichtigen sind, selbst wenn sie vor Trennung bzw. Scheidung nicht voraussehbar waren, z.B. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Arbeitsunfähigkeit.
a) Abzug von Steuern
Rz. 1542
Abziehbar von den Bruttoeinkünften sind die Einkommenssteuer/Lohnsteuer, der Solidaritätszuschlag und die etwaige Kirchensteuer, in der Höhe, in der sie im maßgeblichen Kalenderjahr entrichtet wurden, sogenanntes "In-Prinzip". Maßgeblich ist stets die tatsächliche Steuerlast.
Anderes gilt lediglich bei der Durchführung einer fiktiven Berechnung, in der zu berücksichtigen ist, was fiktiv zu zahlen wäre (sogenanntes Für-Prinzip).
Rz. 1543
Steuererstattungen erhöhen das Einkommen im Jahr des Anfalles, Steuernachzahlungen mindern es entsprechend.
Rz. 1544
Steuerberaterkosten sind grundsätzlich nur dann abzugsfähig, wenn die Einschaltung eines Steuerberaters tatsächlich zu einem erhöhten Nettoeinkommen führt. In einfach gelagerten Fällen ist es aber zumutbar, die Steuererklärung ohne Einschaltung eines Steuerberaters abzugeben.
Rz. 1545
Zur Reduzierung der tatsächlichen Steuerlast ist zumutbar, die Möglichkeit der Eintragung von Freibeträgen auf der Lohnsteuerkarte wahrzunehmen. Wird dies unterlassen, ist eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen. Freibeträge können insbesondere bei hohen Fahrtkosten eingetragen werden, aber auch bei feststehenden, nicht streitigen Unterhaltsbeträgen.
Rz. 1546
Der Steuervorteil bei Wiederverheiratung des Pflichtigen hat allerdings in der neuen Ehe zu verbleiben. In solchen ...