Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 84
Familienunterhalt wird nur geschuldet, wenn zwischen den Ehegatten eine Lebensgemeinschaft besteht. Die – vorübergehende – räumliche Trennung z.B. aufgrund auswärtiger Arbeitstätigkeit eines Ehegatten oder Strafhaft schließt die eheliche Lebensgemeinschaft nicht aus.
Umgekehrt schließt das Zusammenleben der Eheleute eine Trennung nicht aus. Ehegatten können in derselben Wohnung getrennt leben, § 1567 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies setzt aber eine vollständige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft voraus. Gemeinsamkeiten wegen Kinderbetreuung oder untergeordnete Gemeinsamkeiten wegen des Wohnungszuschnitts stehen der Trennung in der Regel nicht entgegen.
Ein Versöhnungsversuch bis zu 3 Monaten beendet das Getrenntleben unterhaltsrechtlich nicht. Anderes gilt bei bewusster und gewollter Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft. In diesen Fällen lebt der Anspruch auf Gewährung von Familienunterhalt wieder auf.
Bei erneuter Trennung ist eine Neutitulierung des Trennungsunterhalts erforderlich.
Rz. 85
Praxistipp
Bei – notarieller – Titulierung des Trennungsunterhalts können die Beteiligten in der Urkunde vereinbaren, dass im Falle der Versöhnung und erneuter Trennung der vereinbarte Unterhalt fortgelten soll.
Rz. 86
Entscheidend für die Frage der Lebensgemeinschaft ist, ob die Eheleute subjektiv an der Ehe festhalten und entsprechend der von ihnen vereinbarten Aufgabenverteilung leben. Nicht entscheidend ist, ob die Eheleute eine dem Wesen der Ehe gemäße Lebensführung angenommen oder beibehalten haben, ob sie also z.B. körperlich miteinander verkehren. Wird also eine fehlende körperliche Verbindung der Eheleute von beiden Partnern akzeptiert, leben sie im Rahmen der von ihnen vereinbarten Lebensführung im Sinne einer intakten ehelichen Lebensgemeinschaft.
Rz. 87
Die Verpflichtung zur Lebensgemeinschaft kann ggf. im Wege des Verfahrens auf Herstellung des ehelichen Lebens (§ 1353 BGB) gegen den anderen Ehegatten verfolgt werden.
Mit dem positiven Herstellungsantrag kann z.B. die Unterrichtung über Vermögensverhältnisse oder auch die Entfernung des Ehebruchpartners aus der Ehewohnung verlangt werden.
Gegenstück dazu ist der negative Herstellungsantrag dahingehend, dass der Antragsteller gem. § 1353 Abs. 2 BGB zum Getrenntleben berechtigt ist. Voraussetzung ist, dass die gerichtliche Feststellung für die Rechtsstellung des Antragstellers von Bedeutung ist. In der Regel wird hier jedoch das besondere Feststellungsinteresse fehlen.
Rz. 88
Wird jedoch nach Eheschließung eine ursprünglich vereinbarte Lebensgemeinschaft nicht realisiert, ist ein Anspruch auf Familienunterhalt nicht gegeben. Stellt sich nach Eheschließung beispielsweise heraus, dass ein Partner den Vollzug der Ehe wegen anderweitiger sexueller Orientierung ablehnt oder zum Vollzug aus körperlichen Gründen außerstande ist und lehnt deshalb der andere Ehegatte die "Fortsetzung" der Ehe ab, ist kein Zusammenleben im Sinne eines Ehelebens zustande gekommen. In diesen Fällen entsteht auch dann kein Anspruch auf Familienunterhalt, wenn etwa die Eheleute wegen fehlender anderweitiger Möglichkeiten zunächst (weiter) in der Ehewohnung zusammenleben. Es ist dann von Getrenntleben auszugehen.
Rz. 89
Es besteht ggf. der Anspruch eines der Ehepartner auf Zahlung von Trennungsunterhalt. Dieser könnte jedoch auch wegen Nichtaufnahme der Ehe verwirkt sein i.S.d. § 1579 Nr. 8 BGB. Der BGH hatte in einem Fall die Versagung von Unterhaltsansprüchen für gerechtfertigt gehalten, weil die Ehegatten die Lebensgemeinschaft trotz Eheschließung nicht aufgenommen hatten. Sie waren aus Glaubensgründen der Überzeugung, dass ihre standesamtliche Trauung wegen einer kirchlich nicht geschiedenen früheren Ehe eines der Partner irrelevant war.
Wegen kurzer Ehedauer nach § 1579 Nr. 1 BGB kann dagegen Trennungsunterhalt in solchen Fällen nicht versagt werden, weil § 1579 Nr. 1 BGB in § 1361 Abs. 3 BGB ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt worden ist. Die Tatsache, dass die Beteiligten nie zusammengelebt haben, reicht grundsätzlich nicht aus. Eine grobe Unbilligkeit nach dem Auffangtatbestand des § 1579 Nr. 8 BGB kann allerdings gegeben sein. Dies bedarf einer Billigkeitsabwägung im Einzelfall. Dabei kann es von Bedeutung sein, ob dem anderen Ehegatten bei Eingehung der Ehe aufgrund unrichtiger Angaben des anderen Ehegatten im Irrtum beispielsweise über dessen sexuelle Orientierung oder dessen Fähigkeit zum Vollzug der Ehe war. In solchen Fällen ist vorwerfbares Verhalten im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen.