Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1889
Der Haben-Bereich beschreibt die Deckungsmasse, die im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist. Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich alle Einkünfte, gleich, ob sie auf den Bedarf Einfluss haben oder nicht.
Dies sind alle Einkünfte, die erzielt werden oder in zumutbarer Weise erzielbar sind, ohne Rücksicht auf Herkunft und Eheprägung. Maßgeblich sind die Nettoeinkünfte. Verpflichtungen, die bereits im Bedarfsbereich berücksichtigt worden sind, werden nicht abgezogen.
Rz. 1890
Zur Deckungsmasse gehören daher:
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Erwerbseinkünfte aus abhängiger Arbeit,
- Aus selbstständiger Erwerbstätigkeit,
- Aus Gewerbetätigkeit,
- Aus Land- oder Forstwirtschaft,
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Erwerbsersatzeinkünfte wie Krankengeld,
- Arbeitslosengeld,
- Renten und Pensionen;
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Vermögenseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
- Aus Kapital- und sonstigem Vermögen,
- Aus Wohnvorteilen oder sonstigen Gebrauchsvorteilen des Vermögens;
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Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit des Verpflichteten mit Anrechnung nach Treu und Glauben, § 242 BGB |
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Einkünfte aus sozialstaatlichen Leistungen und sonstigen Zuwendungen wie z.B. Wohngeld, BAföG-Leistungen, Pflegegeld und Steuererstattungen |
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Erzielbare Einkünfte, die fiktiv zugerechnet werden. |
Rz. 1891
Die fiktive Zurechnung erfolgt, weil der Unterhaltsverpflichtete gehalten ist, seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit so gut wie möglich einzusetzen und zumutbare Erwerbstätigkeiten auch auszuüben. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, wird er so behandelt, als würde er diese – zumutbaren – Einkünfte erzielen.
Dasselbe gilt für alle sonstigen Einkünfte, die der Verpflichtete erzielen könnte, aber zu erzielen unterlässt. Fiktive Beträge können im Übrigen auch Vermögen hergeleitet werden, dessen Verwertung dem Verpflichteten aufgrund einer Billigkeitsabwägung obliegt, vgl. § 1577 Abs. 3 BGB betreffend nacheheliche Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten.
Rz. 1892
Leistungsunfähigkeit ist jedoch grundsätzlich zu beachten. Selbst schuldhaft herbeigeführte Leistungsunfähigkeit führt nicht zu fiktiver Anrechnung möglicher Einkünfte. Dies gilt allerdings dann nicht, auf Seiten des Verpflichteten verantwortungsloses, mindestens leichtfertiges Verhalten vorliegt, durch das eine vollständige oder auch nur teilweise Leistungsunfähigkeit herbeigeführt worden ist. Die Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit ist dem Verpflichteten dann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt.
Dem Verpflichteten muss bei seinem Verhalten bewusst sein, dass er seine Unterhaltsverpflichtung verletzt. Fehlt der Bezug zu seiner Unterhaltsverpflichtung, ist ihm das Verhalten unterhaltsrechtlich nicht zuzurechnen.
Die Frage der Zurechnung ist im Einzelfall abzuwägen und zu werten.
Rz. 1893
Die Berufung des Unterhaltspflichtigen auf seine Leistungsunfähigkeit ist als Einwendung ausgestaltet.
Dies bedeutet, dass der Pflichtige die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung trägt, dass er infolge eingeschränkter oder fehlender Leistungsunfähigkeit Unterhalt ganz oder teilweise nicht zahlen kann.