Rz. 182

Im Falle der Unterhaltsberechtigung eines früheren und eines jetzigen Ehegatten war vor Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 1.1.2008 der frühere Ehegatte vorrangig. Der zweite Ehegatte blieb unberücksichtigt, wenn das zur Verfügung stehende Einkommen nicht für den vollen Unterhaltsanspruch der ersten Ehefrau gereicht hat. Nunmehr kommt es nicht auf die zeitliche Priorität der Eheschließung an, sondern darauf, in welchem Grad eine Bedürftigkeit und damit einhergehend eine erschwerte Möglichkeit vorhanden ist, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.

 

Rz. 183

Danach lautet die Rangfolge wie folgt:

1. Rang, § 1609 Nr. 1 BGB

Minderjährige unverheiratete Kinder
volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB

2. Rang, § 1609 Nr. 2 BGB

Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle der Scheidung wären sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer

3. Rang, § 1609 Nr. 3 BGB

Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen

4. Rang, § 1609 Nr. 4 BGB

Volljährige und minderjährige verheiratete Kinder

5. Rang, § 1609 Nr. 5 BGB

Enkelkinder und weitere Abkömmlinge

6. Rang, § 1609 Nr. 6 BGB

Eltern

7. Rang, § 1609 Nr. 7 BGB

Weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die näheren den entfernteren vor.
 

Rz. 184

Insgesamt ist es daher möglich, dass der geschiedene Ehegatte gegenüber dem neuen Ehegatten nachrangig, vorrangig oder gleichrangig ist.

Dies wirkt sich nicht aus, solange der Unterhaltsverpflichtete in der Lage ist, aus seinem Einkommen sämtliche Unterhaltsansprüche der Berechtigten zu bedienen. Ist dies jedoch nicht der Fall, liegt also ein Mangelfall vor, wirkt sich ein etwaiger Vorrang aus.

Zunächst ist daher in einer Unterhaltsberechnung die Höhe eines jeden Unterhaltsanspruchs zu ermitteln. Sodann ist anhand des zur Verfügung stehenden Gesamteinkommens die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu prüfen.[187] Im Falle – teilweiser – Leistungsunfähigkeit ist sodann der Rang der jeweiligen Unterhaltsberechtigten festzustellen und zu entscheiden, in welchem Umfang der jeweilige Anspruch realisiert werden kann.

 

Rz. 185

Früher hatte der BGH[188] den Bedarf bei Konkurrenz mehrerer unterhaltsberechtigter Ehegatten im Wege der Dreiteilung berechnet, also mit einem Drittel des Gesamteinkommens des Verpflichteten und beider Unterhaltsberechtigter bemessen.

Das Bundesverfassungsgericht[189] hatte sodann jedoch diese Methode zur Berechnung des Bedarfs für verfassungswidrig erklärt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts muss bei Veränderungen nach der Scheidung die Entwicklung in den – vorangegangenen – ehelichen Lebensverhältnissen angelegt sein. Eine nachfolgende Ehe konnte danach nicht von der vorangegangenen Ehe geprägt sein, weil die neue Eheschließung wesensnotwendig die Scheidung der vorangehenden Ehe voraussetzt.

Damit darf der Unterhaltsbedarf der ersten – geschiedenen – Ehefrau nicht von der Einkommenssituation der zweiten Ehefrau abhängen.

 

Rz. 186

Dies bedeutet nunmehr: Der Unterhaltsbedarf des ersten Ehegatten ist isoliert als Quotenunterhalt[190] auf der Basis der Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten zur Zeit der Scheidung zu berechnen. Verfügt nur der Unterhaltsverpflichtete über Einkommen, ist ein Halb seines bereinigten Einkommens als Bedarf des ersten Ehegatten einzusetzen. Verfügt der geschiedene Ehegatte über eigene Einkünfte, sind diese im Wege der Additionsmethode zu berücksichtigen.

 

Rz. 187

Der Unterhalt für die minderjährigen oder privilegiert bevorrechtigten volljährigen Unterhaltsberechtigten nach § 1609 Nr. 1 BGB sind vorweg vom Einkommen des Verpflichteten abzuziehen. Dies gilt für gemeinsame Kinder aus der früheren Ehe ebenso wie für außerehelich geborene und auch in der neuen Ehe geborene Kinder. Anders als die Unterhaltsansprüche einer neuen Ehefrau setzt die Unterhaltspflicht für Kinder nicht die Scheidung der ersten Ehe voraus. Zudem, so das Bundesverfassungsgericht,[191] folge dies aus dem Gebot der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder, Art. 6 Abs. 5 GG.

Der Erwerbstätigenbonus ist wie üblich vom Einkommen abzuziehen.[192]

 

Rz. 188

Eine erneute Eheschließung führt bei teilweiser oder fehlender Erwerbstätigkeit des neuen Ehegatten zu weiterer Unterhaltspflicht, der der Unterhaltspflichtige eventuell nicht nachkommen kann, jedenfalls nicht in voller Höhe. Die Verpflichtung gegenüber dem weiteren Ehegatten ist bei der Bemessung des Unterhalts des früheren Ehegatten als sonstige Verbindlichkeit i.S.d. § 1581 BGB zu berücksichtigen.

 

Rz. 189

In welcher Höhe die Berücksichtigung erfolgen muss, hängt von dessen Unterhaltsbedarf ab. Nach den Grundsätzen der Gleichwertigkeit einander nachfolgender Ehen und der gleichen Teilhabe der Ehegatten ist der Bedarf des nachfolgende...

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