Rz. 1984

Zur Leistungspflicht von Verwandten des Berechtigten neben Ehegatten oder nicht ehelichen Elternteilen gilt: Grundsätzlich haftet der verpflichtete Ehegatte vor Verwandten des berechtigten Ehegatten für Unterhaltsansprüche. Dies gilt nach § 1584 Satz 1 BGB für den nachehelichen Unterhalt sowie nach § 1608 Satz 1 BGB für den Familien- und Trennungsunterhalt.

 

Rz. 1985

Die Eheschließung führt zu einer primären gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung füreinander.[2106] Im Falle der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten besteht daher grundsätzlich kein Unterhaltsanspruch gegen nachrangig verpflichtete Verwandte.

 

Rz. 1986

Ist dagegen der verpflichtete Ehegatte ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhaltsbedarfs zu Unterhaltsleistungen nicht in der Lage, kehrt sich dieses Rangverhältnis um. Nach §§ 1584 S. 2, 1608 S. 2 BGB haften im Mangelfall die leistungsfähigen Verwandten des Berechtigten vor dem verpflichteten Ehegatten. Die Verwandten sind vorrangig verpflichtet; nachrangig kann vom Ehegatten Billigkeitsunterhalt nach § 1581 BGB nur dann verlangt werden, wenn es keine leistungsfähigen Verwandten des Berechtigten gibt.

 

Rz. 1987

Die Höhe der Zahlungsverpflichtung beschränkt sich auf die Höhe des leistungsmäßigen Fehlbedarfs.

 

Rz. 1988

Neben dieser Beschränkung unterscheiden sich die Unterhaltsansprüche gegenüber nachrangigen Verwandten dahingehend, dass sich der Verwandtenunterhalt nach dem angemessenen Unterhalt bemisst und sich daher vom Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen der Höhe nach unterscheiden kann. So kann nach § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB der eheangemessene Unterhalt auf den angemessenen Unterhalt herabgesetzt werden.

 

Rz. 1989

Sind mehrere leistungsfähige Verwandte vorhanden, haften die Abkömmlinge vor Verwandten der aufsteigenden Linie und dabei jeweils die näheren Verwandten vor den entfernteren Verwandten, § 1606 Abs. 1 S. 2 BGB.

 

Rz. 1990

Soweit ein Berechtigter allerdings einen vorrangigen Anspruch gegenüber einem leistungsfähigen Verwandten hat, ist er in diesem Umfang gegenüber dem Verpflichteten nicht bedürftig. Diesem gegenüber besteht insoweit auch kein Unterhaltsanspruch. Dem gegenüber bleibt nach § 1607 Abs. 2 BGB die Unterhaltsverpflichtung bestehen, wenn die Haftung nur deshalb besteht, weil die Rechtsverfolgung im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der Anspruch geht sodann auf den Zahlenden über.

 

Rz. 1991

Im sonstigen Verhältnis sind leistungsfähige Verwandte Unterhaltsschuldner aufgrund eigener Haftung. Ein Rückgriff auf den erstverpflichteten Ehegatten scheidet aus.

 

Rz. 1992

Soweit sich der verpflichtete Ehegatte auf den Verwandtenvorrang und der §§ 1584 und 1608 BGB wegen eigener beschränkter Leistungsfähigkeit beruft, hat er darzulegen und nachzuweisen, dass und in welchem Umfang er ohne Gefährdung als seines eigenen angemessenen Unterhaltsbedarfs nicht leistungsfähig ist.

 

Rz. 1993

Nimmt der Berechtigte einen nachrangig haftenden Verwandten in Anspruch, muss er darlegen und nachweisen, dass der erstverpflichtete Ehegatte in Höhe des Fehlbedarfs nicht leistungsfähig ist oder dass die Rechtsverfolgung im Inland unmöglich oder erheblich erschwert ist, §§ 1584 S. 3, 1608 S. 3, 1607 Abs. 2 S. 2 BGB.

 

Rz. 1994

 

Beispiel zu vorrangiger Unterhaltsverpflichtung von Verwandten des berechtigten Ehegatten im Mangelfall

Nettoeinkommen[2107] M 1.800 EUR, Kapitaleinkünfte 200 EUR, Erwerbsbonus 10 %

F hat leistungsfähige Eltern mit einem Einkommen von 5.000 EUR.

Bedarf der F: (1.800 EUR x 45 %) + (200 EUR : 2) = 910 EUR

M bleiben 2.000 EUR – 910 EUR = 1.090 EUR, 560 EUR weniger als der Ehegattenselbstbehalt von 1.650 EUR.

M müsste den Stamm des Kapitals angreifen; da jedoch leistungsfähige Verwandte vorhanden sind, zahlt er nur den ohne Substanzverzehr möglichen Unterhalt von (2.000 EUR – 1.650 EUR) 350 EUR.

Die Eltern müssen die Differenz zahlen. Hinzu kommt in diesem Fall, dass der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen geringer ist als der Mindestunterhalt von 1.120 EUR. Daher müssen die Eltern 1.120 EUR – 350 EUR = 770 EUR zahlen.

Den Eltern bleiben 5.000 EUR – 770 EUR = 4.230 EUR.

Angemessener Selbstbehalt der Eltern: 1.800 + 1.440 = 3.240 EUR zzgl. der Hälfte des Mehreinkommens von (5.000 EUR – 3.240 EUR/2) 880 EUR (1.760 EUR : 2); Selbstbehalt daher 3.240 EUR +880 EUR = 4.120 EUR

Der Selbstbehalt ist gewahrt. Der Selbstbehalt beträgt 4.120 EUR, den Eltern bleiben 4.230 EUR.

[2106] Wendl/Dose/Gutdeutsch, § 5 Rn 175.
[2107] DT, Stand 1.1.2023.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge