Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 18
Für das Unterhaltsrecht entscheidend wurde durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts (UÄndG) vom 21.12.2007, in Kraft getreten am 1.1.2008, die zuvor starke Stellung des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten wesentlich eingeschränkt.
a) Der Grundsatz der Eigenverantwortung, § 1569 BGB
Rz. 19
Schon früher galt der – verfassungsgemäße – Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Ehe, sodass nach der Systematik ein nachehelicher Unterhaltsanspruch nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein sollte. Zudem bestand ja seit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 20.2.1986 bereits – wenn auch unter engen Voraussetzungen – die Möglichkeit, nacheheliche Unterhaltsansprüche der Höhe und der Dauer nach zu begrenzen (§§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 BGB).
Rz. 20
Das Regel-Ausnahme-Prinzip hatte sich in der Vergangenheit allerdings in sein Gegenteil verkehrt. Dies erschwerte jeden Neuanfang in zweiter Ehe erheblich und wurde gerade bei kurzer Ehe häufig als ungerecht empfunden.
Rz. 21
Dem ist versucht worden, dadurch zu begegnen, dass § 1569 BGB eine komplett neue Fassung erhalten hat. Die frühere, eher nichtssagende Überschrift ("abschließende Regelung") ist ersetzt worden durch eine prägnante Überschrift, nämlich "Grundsatz der Eigenverantwortung", die dem Inhalt eine neue Zielrichtung gegeben hat.
Ging es in § 1569 BGB a.F. darum, dass Unterhalt "nach den nachfolgenden Vorschriften der §§ 1570 ff. BGB" verlangt werden konnte, wird nunmehr im ersten Satz die Eigenverantwortung hervorgehoben.
Die Überschrift des § 1569 BGB stärkt den Grundsatz. Der erste Satz erklärt die Erwerbstätigkeit zur Obliegenheit. Der zweite Satz formuliert statt "… kann … nicht selbst … sorgen" schärfer mit "ist er dazu außer Stande …" und betont mit der Einfügung des Wortes "nur", dass ein Unterhaltsanspruch gemessen am Grundsatz der Eigenverantwortung die Ausnahme, nicht die Regel sein soll und daher nur in Betracht kommt, wenn einer der Unterhaltstatbestände der §§ 1570 ff. BGB vorliegt.
Rz. 22
Dadurch sind erhöhte Anforderungen an die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit gestellt und Beschränkungsmöglichkeiten geschaffen worden, die auch bestimmte Voraussetzungen zur Erlangung von Unterhalt, namentlich beispielsweise auf die Frage "ehebedingter Nachteile" abstellen.
In der Begründung des Regierungsentwurfs ist im Zusammenhang mit der Neufassung des § 1569 BGB von "neuer Rechtsqualität" und davon die Rede, dass die Vorschrift "in weit stärkerem Maße als bisher" als Auslegungsgrundsatz für die einzelnen Unterhaltstatbestände heranzuziehen sei.
b) Die Abschaffung des sog. Altersphasenmodells
Rz. 23
Das sog. Altersphasenmodell, auch – ein wenig despektierlich – 0/8/15-Modell des BGH genannt, wurde mit der Änderung von § 1570 BGB (Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes) abgeschafft. Das Modell drückt aus, dass in der Regel keine Erwerbsobliegenheit eines ein Kind betreuenden Elternteils bis zur Vollendung des achten Lebensjahres gab, anschließend eine Halbtagstätigkeit zumutbar war, da noch weitere Betreuungsaufgaben für das Kind erforderlich waren und die Verpflichtung zur vollzeitlichen Erwerbstätigkeit erst ab Vollendung etwa des 15. Lebensjahres einsetzte.
Rz. 24
Die Oberlandesgerichte hatten allerdings das sog. Altersphasenmodell nicht starr in diesem Sinne angewendet, sondern Veränderungen nach eigenen Wertvorstellungen vorgenommen. Dies führte zu einer häufig als ungerecht empfundenen sehr unterschiedlichen Judikatur auch in benachbarten OLG-Bezirken.
Rz. 25
Anstelle der Berücksichtigung der Betreuungsbedürftigkeit in verschiedenen Altersphasen durch den zuvorderst hierfür zuständigen Elternteil wurde ein verbindlicher Basisunterhalt für die ersten drei Lebensjahres des Kindes geschaffen. In dieser Zeit steht es Eltern frei, eine Eigenbetreuung des Kindes vorzunehmen.
Rz. 26
Der Gesetzgeber hat sodann ab Vollendung des dritten Jahres der Fremdbetreuung grundsätzlich den Vorrang vor der persönlichen Betreuung festgelegt. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist davon auszugehen, dass ab einem Alter des betreuten Kindes von drei Jahren eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit dem wohlverstandenen Interesse des Kindes dient – insbesondere dem Ausbau seines sozialen Verhaltens – und folglich mit dem Kindeswohl vereinbar ist.
c) Die Pflicht zur Erwerbstätigkeit
Rz. 27
Durch die Neufassung von § 1574 BGB sind die Anforderungen an die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Scheidung erhöht worden. Bis zur Neufassung des § 1574 BGB war Ausgangspunkt der Betrachtung, dass der geschiedene Ehegatte nur eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben braucht. Wer "nur braucht", könnte der Versuchung unterliegen, sich nicht besonders verpflichtet zu fühlen. Eine Gesetzesformulierung, die darüber aufklärt, was man nicht tun muss, unterstützt eher das Nicht-Tun als das Tun. Der Gesetzgeber hat den Ausgangssatz von der Formulierung "braucht nur" ...