Leitsatz (amtlich)
Der nacheheliche Ehegattenunterhalt einer vor dem 1.7.1977 geschiedenen Ehe richtet sich gem. Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 - 1. EheRG - (BGBl. I, 1421) weiterhin unverändert nach den Bestimmungen des EheG; daran hat sich auch durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 - UÄndG - (BGBl. I, 3189) nichts geändert. Es finden daher weder die §§ 1569 ff. BGB - und damit etwa §§ 1578b oder 1609 BGB n.F. - noch die durch das UÄndG eingefügte und allein für diese Reform des Unterhaltsrechts geltende Übergangsvorschrift des § 36 EGZPO Anwendung.
Normenkette
EheG Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 1. EheRG; EheG §§ 58 ff.; EGZPO § 36; BGB n.F. §§ 1578b, 1609
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 12.07.2011; Aktenzeichen 620 F 2060/11) |
Tenor
die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 4.8.2011 gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 12.7.2011 durch den Vorsitzenden Richter am OLG W. und die Richter am OLG H. und G. am 13.10.2011 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 12.7.2011 geändert.
Der Antragsgegnerin wird Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung des Rechtsanwalts D. in Hannover bewilligt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Ihre am 27.6.1969 geschlossene Ehe, aus der die gemeinsame, am ... 1971 geborene Tochter S. hervorging, wurde durch Urteil des LG Hannover vom 1.2.1972 (7 R 201/71) aus dem alleinigen Verschulden des jetzigen Antragstellers geschieden. Die gemeinsame Tochter lebte seit der im November 1971 erfolgten Trennung der Beteiligten im Haushalt der Antragsgegnerin, von der allein sie versorgt, betreut und erzogen wurde. Der Antragsteller ist wiederverheiratet mit Frau A. M. geb. Sch., geboren am ... 1952. Er bezieht eine Rente i.H.v. monatlich 1.215,59 netto, seine jetzige Ehefrau eine Erwerbsminderungsrente i.H.v. 600 EUR. Die Antragsgegnerin erhält Leistungen nach dem SGB II.
Mit Urteil des AG - Familiengericht - Elze vom 23.10.1985 (8 F 115/85) wurde der Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts an die Antragsgegnerin auf der Grundlage von § 58 Abs. 1 EheG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG i.H.v. monatlich 180,50 DM verurteilt. Dabei war zugrunde gelegt worden, dass die seinerzeit 38-jährige, seit zwei Jahren als arbeitslos gemeldete Antragsgegnerin wegen Betreuung und Versorgung der damals 14-jährigen Tochter S. nicht gehalten sei, auch nur einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Das Erwerbseinkommen des Antragstellers belief sich seinerzeit auf mindestens 2.045 DM monatlich netto, wovon der Antragsteller Kindesunterhalt für S. i.H.v. monatlich 370 DM zahlte, so dass sein angemessener Selbstbehalt von 1.150 DM gewahrt war.
Nunmehr begehrt der Antragsteller unter Hinweis auf seinen Rentenbezug die Abänderung des vorgenannten Urteils ab April 2011. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Anspruch seiner jetzigen Ehefrau auf Familienunterhalt, den er mit ([1.215,59 EUR - 600 EUR =] 615,59 EUR: 2 =) 307,80 EUR beziffert, sei nach § 1609 Nr. 2 BGB vorrangig gegenüber dem Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Ehegattenunterhalt, der allenfalls nach § 1609 Nr. 3 BGB zu berücksichtigen sei, weil die mit seiner jetzigen Ehefrau bestehende Ehe mit nunmehr 37 Jahren lang sei, die geschiedene Ehe mit der Antragsgegnerin dagegen nur von kurzer Dauer gewesen sei. Durch § 36 EGZPO sei klargestellt, dass das neue, durch das UÄndG eingeführte Unterhaltsrecht nunmehr auf alle Unterhaltsfälle anzuwenden sei, auch auf vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehen. Daher gelte hier inzwischen auch die Bestimmung des § 1587b BGB; ehebedingte Nachteile habe die Antragsgegnerin jedoch nicht erlitten, die Tochter S. sei bereits seit langem wirtschaftlich selbständig. Die Anwendung des neuen Unterhaltsrechts sei auch zumutbar i.S.v. § 36 Nr. 1 EGZPO, denn die Antragsgegnerin beziehe bereits seit 37 Jahren Unterhalt; dagegen hätten er und seine jetzige Ehefrau mit insgesamt rund 1.800 EUR kaum mehr als das Existenzminimum zur Verfügung. Müsste er hiervon auch noch den titulierten Ehegattenunterhalt weiterzahlen, wäre das Existenzminimum hingegen unterschritten. Eine weitere Fortdauer seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin sei daher nicht mehr zumutbar.
Die Antragsgegnerin tritt der begehrten Abänderung entgegen und sucht hierfür um Verfahrenskostenhilfe nach. Sie verweist darauf, infolge der Versorgung und Betreuung der gemeinsamen Tochter sehr wohl ehebedingte Nachteile erlitten zu haben, die sich auch darin zeigten, dass sie lediglich eine geringe Altersrente (vom 1.9.2012 an) zu erwarten habe, während der Antragsteller immerhin eine solche in doppelter Höhe beziehe. Dieser möge im Übrigen doch von seinem Rentnerprivileg Gebrauch machen.
Das AG - Familiengericht - Hannover hat der Antragsgegnerin mit Beschl. v. 12.7.2011 - d...