Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Wohnvorteil als Vermögensvorteil
Rz. 1479
Zu den wirtschaftlichen Nutzungen, die aus Vermögen gezogen werden, zählen die Vorteile des mietfreien Wohnens im eigenen Haus. Es handelt sich insoweit um Nutzungen des Grundstückseigentums im Sinne von § 100 BGB in Form von Gebrauchsvorteilen.
Der Nutzen besteht darin, dass der Eigentümer für das Wohnen keine Mietzinszahlungen leisten muss, einen Teil des allgemeinen Lebensbedarfs. Abzuziehen sind die mit dem Eigentum verbundenen Unkosten, sodass der Betrag, um den der Eigentümer billiger als der Mieter lebt, als Einkommen anzusetzen ist.
Wohnwert ist eine Frage der Nutzung, keine Frage der Verwertung von ggf. gemeinsamem Vermögen. Ein Wohnwert ist daher auch dann anzusetzen, wenn etwa eine Immobilie aus ererbtem Vermögen oder aus Schmerzensgeldzahlungen stammt.
Rz. 1480
Freiwillige Leistungen Dritter, z.B. von Eltern, sind freiwillige Leistungen ohne Einkommenscharakter. Kaufen Eltern z.B. ihrem Kind während der Ehe und/oder nach Trennung bzw. Scheidung Wohneigentum, so ist ein Wohnwert nicht anzusetzen. Anderes gilt nur, wenn für die Leistung eine Gegenleistung zu erbringen ist, z.B. Pflege und Betreuung.
Der Vorbehalt eines Nießbrauches stellt dagegen keine Gegenleistung dar. Eine unterhaltsrechtlich nicht einzubeziehende freiwillige Leistung Dritter liegt auch dann vor, wenn Eltern ihrem Kind Geld schenken, mit dem es dann eine Eigentumswohnung kauft.
Rz. 1481
Bei Vermietung eines Teils des Objekts, z.B. einer Garage, handelt es sich um "Früchte" i.S.v. § 99 Abs. 3 BGB. Unterbleibt die Vermietung, zählt die Möglichkeit der Vermietung ebenfalls zu den Gebrauchsvorteilen nach § 100 BGB, die in die Bedarfsermittlung ebenso wie bei der Frage der Leistungsfähigkeit einzubeziehen sind.
b) Die Höhe des Wohnvorteils
Rz. 1482
Die Höhe des Wohnvorteils richtet sich während der Trennung der Eheleute nach Angemessenheitskriterien, nach endgültigem Scheitern der Ehe durch Zustellung des Scheidungsantrages oder Vermögensauseinandersetzung der Eheleute sowie nach Scheidung der Ehe nach der objektiven Marktmiete.
Nimmt der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit einen neuen Partner in die Ehewohnung auf, richtet sich die Höhe des Wohnvorteils nicht mehr nach Angemessenheitskriterien, sondern nach der objektiven Marktmiete.
Rz. 1483
Der Grund für die Unterscheidung von Angemessenheitskriterien während der Trennungszeit und der objektiven Marktmiete nach endgültigem Scheitern der Ehe hat der BGH wie folgt begründet:
Maßgeblich sei unterhaltsrechtlich, ob nach Treu und Glauben eine Vermögensverwertung oder (Unter-)Vermietung des wegen der Trennung zu groß gewordenen Familienheims zumutbar ist. In der Trennungszeit, so der BGH ist dies zunächst nicht der Fall. Es dürfen keine Fakten geschaffen werden, die eine mögliche Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft erschweren.
Der Anteil des ausziehenden Ehegatten bleibt sozusagen als "totes Kapital" außer Betracht. Es ist aus Billigkeitsgründen während der Trennungszeit nur ein unterhaltsrechtlich angemessener Betrag als Wohnwert anzusetzen.
Wird allerdings das "tote Kapital" genutzt, z.B. durch Untervermietung, ist der entsprechende Betrag zu berücksichtigen. Eine Verpflichtung zur Nutzung des "toten Kapitals" besteht während der Trennungszeit und vor endgültigem Scheitern der Ehe nicht.
Rz. 1484
Die objektive Marktmiete ist anzusetzen bei Aufnahme eines neuen Lebensgefährten in die Ehewohnung, da damit der Charakter als "vorgehaltene" Ehewohnung für den Fall der Aufhebung einer Trennung nicht beibehalten bleibt.
Soweit Ehegatten bisher (weitgehend) mietfrei im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung gewohnt haben und die Immobilie veräußert wird, findet der frühere Wohnvorteil sein Surrogat in den Nutzungen aus dem Erlös. Wird aus dem Erlös neues Eigentum finanziert, stellt der daraus erwachsene Vorteil ein Surrogat des bisherigen Wohnvorteils dar.
c) Zusatzfragen
Rz. 1485
Zieht ein Ehegatte nach Trennung in ein neben der Ehewohnung noch im Eigentum der Eheleute stehendes Mietobjekt ein, ist der neue Wohnwert beim Ehegattenunterhalt Surrogat der früheren Mieteinkünfte. Als Wohnwert ist die Marktmiete heranzuziehen, wenn damit – was regelmäßig der Fall sein wird – eine Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten erfolgte. Haben sich die Eheleute bei...