Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1872
Ein Mangelfall nach §§ 1581, 1603 BGB entsteht, wenn der Verpflichtete unter Berücksichtigung seiner Verpflichtungen nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen außerstande ist, dem Berechtigten ganz oder teilweise Unterhalt zu leisten, ohne dass sein eigener Unterhalt gefährdet ist.
Hierzu ein einfaches Beispiel:
Rz. 1873
Beispiel
Ehebezogenes Erwerbseinkommen M 1.400 EUR; F ist erwerbsunfähig und ohne Einkommen.
Unterhaltsberechnung: Mangelfall
Der Bedarf der F beträgt bei Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus für M von 1/10 630 EUR (½ aus 90 % x 1.400 EUR).
Bei Zahlung der Beträge ist der Ehegattenmindestselbstbehalt von derzeit 1.370 EUR unterschritten. Es steht nur eine Verteilungsmasse von 30 EUR zur Verfügung (1.400 EUR – 1.370 EUR). Der Unterhaltsanspruch der F ist daher zu kürzen, damit M der Ehegattenmindestselbstbehalt verbleibt. Der Anspruch beträgt 30 EUR.
Abwandlung: M wohnt kostenlos bei seinen Eltern
Grundsätzlich stellt das mietfreie Wohnen bei den Eltern kein Einkommen dar, da es sich um eine freiwillige Zuwendung Dritter handelt, die nicht erbracht wird, um den Berechtigten unterhaltsrechtlich zu unterstützen, sondern den Pflichtigen zu entlasten. Im Mangelfall können solche Leistungen jedoch als Einkommen angesetzt werden. Im Ehegattenmindestselbstbehalt ist ein Betrag von 580 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt reduziert sich daher auf 790 EUR. M ist daher in Höhe von 610 EUR (1.400 EUR – 790 EUR) fast vollständig leistungsfähig und kann den errechneten Unterhalt bis auf 20 EUR zahlen. Er wird durch das mietfreie Wohnen nahezu leistungsfähig.
Rz. 1874
Ist nach Berechnung des Einkommens des Pflichtigen und Abzug aller Unterhaltspflichten der verbleibende Einkommensbetrag nach Maßgabe des zutreffenden Selbstbehalts niedriger, liegt ein Mangelfall vor. Ist der verbleibende Betrag höher als der konkret zutreffende Selbstbehalt, liegt kein Mangelfall vor.
Rz. 1875
Reicht der dem Unterhaltsverpflichteten verbleibende Restbetrag nicht an den Selbstbehalt heran, ist eine Verteilung des zur Verfügung stehenden Gesamtbetrages auf den/die Unterhaltsberechtigten entsprechend den Rangverhältnissen vorzunehmen.
Rz. 1876
Zum Einkommen gehören auch das Vermögen und dessen Verwertung bis zum vollständigen Verbrauch. Der Einsatz des Vermögens ist jedoch dann nicht notwendig, wenn dessen Verbrauch sich als unwirtschaftlich darstellt oder nach Maßgabe der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Insbesondere betrifft dies kleinere Vermögen, die für Notfälle oder für die Sicherung der Altersvorsorge verwendet werden sollen.
Rz. 1877
Dies gilt zumal dann, wenn der Verwendungszweck während bestehender Ehe einvernehmlich bestimmt worden war. Grundsätzlich dient in solchen Fällen das Vermögen, ebenso wie sonstige Einkünfte, der lebenslangen Unterhaltsabsicherung.
Rz. 1878
Anderes gilt für den Fall einer Abfindung, beispielsweise wegen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben. Der Abfindungsbetrag ist dann auf eine längere Zeit zu verteilen. Ein verhältnismäßig geringer Einmalbetrag kann aber in vollem Umfang dem Jahr des Anfalls zugeschlagen werden.
Rz. 1879
Ist der Verbrauch des Vermögens, etwa in festen Raten, zumutbar, ist dieser (Raten-)Betrag als Teil des Einkommens in die Unterhaltsberechnung einzusetzen.
Rz. 1880
Entsprechend sind – berücksichtigungsfähige – Schulden zu behandeln. Angemessene Raten sind zu berücksichtigen.
Rz. 1881
Für die Frage, ob im Ergebnis ein Mangelfall vorliegt, sind der Sollbereich und der Haben-Bereich einander gegenüberzustellen.
Der Sollbereich umfasst alle Bedarfspositionen sowohl des Verpflichteten als auch des oder der Berechtigten unter weiterer Berücksichtigung auch sonstiger Verpflichtungen.
Der Haben-Bereich umfasst alle zur Bedarfsdeckung tatsächlich vorhandenen Mittel und bestimmt damit die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.
Ist bei Gegenüberstellung der Sollbereich größer als der Haben-Bereich, liegt ein Fehlbedarf und damit ein Mangelfall vor.
Ist umgekehrt der Haben-Bereich größer als der Sollbereich, ist die volle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gegeben.
1. Der Sollbereich
Rz. 1882
Der Sollbereich beschreibt den Bedarfsbereich sowohl des Verpflichteten als auch des Berechtigten, ggf. zuzüglich sonstiger Verpflichtungen.
Der Bedarf ist nicht allen Berechtigten gegenüber identisch. Er ist abhängig vom jeweiligen Eigenbedarf oder dem Selbstbehalt, der gegenüber dem betreffenden Berechtigten gilt.
Rz. 1883
Im Verhältnis zwischen Ehegatten ist der beiderseitige Bedarf als eheangemessener Bedarf in Form des daraus zu errechnenden Quotenunterhalts zu berechnen. Der Mindestselbstbehalt g...