Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
1. Normzweck und Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 1164
Die nacheheliche Verantwortung der Ehegatten füreinander erstreckt sich auch auf altersbedingte Problemlagen. Ist wegen Alters eine Erwerbstätigkeit unzumutbar, besteht unter den Voraussetzungen des § 1571 BGB unter Berücksichtigung bestimmter Einsatzzeitpunkte ein Unterhaltsanspruch.
Dieser Anspruch besteht grundsätzlich nicht nur dann, wenn der Ehegatte während der Ehe oder nach Scheidung der Ehe alt geworden ist, sondern auch dann, wenn die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen worden ist, in welchem altersbedingt keine Erwerbstätigkeit mehr zumutbar war.
Die altersbedingte Bedürfnislage muss daher nicht ehebedingt sein.
Rz. 1165
Ein Ehegatte kann allerdings dadurch bedürftig werden, dass bei Scheidung der Ehe der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist und sich nunmehr ein Einkommensgefälle gegenüber dem anderen – früheren – Ehegatten ergibt.
Dies führt nicht zur Begründung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1571 BGB, da die grobe Unbilligkeit des Ergebnisses im Falle der – vollständigen – Durchführung des Versorgungsausgleichs im Rahmen des § 27 VersAusglG geltend zu machen ist.
Die Maßstäbe sind allerdings streng. Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspräche.
Bei Ehen langjähriger Dauer sollte allerdings im Einzelfall ein großzügigerer Maßstab in Betracht kommen.
Rz. 1166
Es bestehen drei Voraussetzungen für den Anspruch aus § 1571 BGB:
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Der Berechtigte hat das im Einzelfall maßgebliche Alter erreicht; |
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aus Altersgründen ist vom Berechtigen keine angemessene Erwerbstätigkeit mehr zu erwarten; |
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einer der im Gesetz genannten Einsatzzeitpunkte liegt vor. |
2. Das Alter des Berechtigten
Rz. 1167
Auch wenn der Begriff Alter keine festen Grenzen enthält, ist der Tatbestand auf jeden Fall zu bejahen, wenn das Rentenalter erreicht ist, Altersrente bezogen wird.
Dies gilt trotz der Möglichkeit zum Beispiel von Frauen gem. § 39 SGB VI, unter bestimmten Voraussetzungen mit 60 Jahren Altersrente zu beziehen, jedoch nicht vor Vollendung des 65. Lebensjahres.
Rz. 1168
Für die Zeit vorher ist eine Einzelfallprüfung, die Prüfung der Angemessenheit gem. § 1574 Abs. 1, 2 BGB vorzunehmen, subjektiv nach den fünf Kriterien
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berufliche Ausbildung, |
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bei Scheidung vorhandene Fähigkeiten, |
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Gesundheitszustand, |
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Alter und schließlich |
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eheliche Lebensverhältnisse (Dauer der Ehe und Kindesbetreuung). |
Rz. 1169
So hat der BGH einer zu 50 % schwerbehinderten Unterhaltsberechtigten, die bereits im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand getreten war, Altersunterhalt zuerkannt, weil von ihr eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zu erwarten war.
Eine arbeitsvertragliche Vorruhestandsregelung ist unschädlich, wenn sich dadurch das Einkommen der Berechtigten nicht verändert. Nimmt der Arbeitnehmer ein Altersteilzeitmodell – verbunden mit geringeren Einkünften – in Anspruch, kann dies eine Obliegenheitspflichtverletzung im Sinne des § 1574 Abs. 1, Abs. 2 BGB sein.
Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich der Berechtigte erst nach Trennung und/oder Scheidung ohne besondere, am Einzelfall zu prüfende Gründe, hierfür entscheidet. Anderes gilt dann, wenn die Entscheidung zur Altersteilzeit gemeinsam mit dem Ehepartner getroffen worden ist oder aber gesundheitliche Gründe beim Berechtigten zur – krankheitsbedingten – Verminderung der Erwerbstätigkeit zwingen. Ist z.B. ein zu 50 % schwerbehinderter Unterhaltsberechtigter im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand getreten, ist eine Erwerbstätigkeit nicht (mehr) zu erwarten. Es besteht dann ein Anspruch auf Altersunterhalt.
Rz. 1170
Besondere Altersgrenzen für bestimmte Berufsgruppen, z.B. für Piloten und Soldaten, bestimmen sich ausschließlich nach dem öffentlichen Interesse. Davon unabhängig ist allein unterhaltsrechtlich zu bewerten, ob neben dem Rentenbezug eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann oder ab diese etwa wegen körperlichen Verschleißes ausscheidet.
Rz. 1171
Freiberufler (Rechtsanwälte, Ärzte etc) oder Unternehmer kennen keine Altersgrenzen. Gleichwohl ist die Regelaltersgrenze von 65 Jahren dafür entscheidend, dass Einkünfte, die im Anschluss erzielt werden, überobligatorisch sind und grundsätzlich nicht für die Unterhaltsberechnung anzusetzen sind.
Dasselbe gilt für Notare, für die eine Altersgrenze von 70 Jahren gilt. Zwischen dem 65. und dem 70. Lebensjahr aus der Notartätigkeit erzielte Einkünfte sind zur Berechnung von Unterhaltsansprüchen nicht einzusetzen. Eine – derzeit vorgesehene – Heraufsetzung der Regelaltersgrenze in Stufen bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres führt zu einer entsprechenden Angleichung.
Rz. 1172
Ausnahmsweise ist eine Anrechnung der Einkü...