Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 177
Der Anspruch des den Haushalt ganz oder zum Teil führenden Ehegatten auf Familienunterhalt ist grundsätzlich nicht auf die Zahlung eines Geldbetrages gerichtet, sondern auf Naturalleistungen wie freies Wohnen etc., aber auch darauf, Wirtschaftsgeld treuhänderisch für die gesamte Familie zu erhalten, und entsprechend zu verwenden.
Der Unterhalt anderer Berechtigte wie getrennt lebende oder geschiedene frühere Ehepartner oder nicht im Haushalt des Pflichtigen lebende eheliche oder nichteheliche Kinder, ist durch Zahlung einer Geldrente zu leisten.
Konkurrieren solche Ansprüche mit denen auf Leistung von Familienunterhalt, ist insgesamt eine Veranschlagung der einzelnen Ansprüche in Geld vorzunehmen und auf die einzelnen Mitglieder zu verteilen.
1. Konkurrenz zwischen Familienunterhalt und Unterhalt minderjähriger Kinder
Rz. 178
Eine Konkurrenzsituation zwischen Familienunterhalt und Kindesunterhalt ist nur dann vorhanden, wenn das Kind außerhalb des ansonsten gemeinsamen Haushaltes lebt. Ist dies nicht der Fall, müssen alle Familienmitglieder mit den vorhandenen finanziellen Mitteln auskommen.
Reichen die Mittel für die Familie nicht aus, muss auch der einvernehmlich den Haushalt führende Ehegatte eine Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise aufnehmen, um die Notlage zu beseitigen. Die – grundsätzlich – gleichwertige Haushaltstätigkeit gegenüber der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten genießt in den Fällen außerhalb einer Notlage Vertrauensschutz.
Rz. 179
Eine Berechnung von Unterhaltsansprüchen zunächst aus demjenigen Einkommen, das der Verpflichtete zur Verfügung hat, ist jedoch in den Fällen einer Barunterhaltspflicht gegenüber Dritten, also et w außerhalb des Haushalts lebenden Kindern erforderlich.
Bei dieser Berechnung ist der Kindesunterhalt mit dem Zahlbetrag, also dem Bedarfsbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des auf den Bedarf anrechenbaren Kindergeldes gem. § 1612b Abs. 1 S. 1 BGB anzusetzen. Reicht sodann das Einkommen des Unterhaltsschuldners nicht zur Befriedigung aller Unterhaltsansprüche aus, ist wegen der damit eintretenden – ggf. teilweisen – Leistungsunfähigkeit dir Frage des Vorrangs einzelner Unterhaltsberechtigter zu prüfen.
Bei der Bemessung des Bedarfs von Ehegatten ist grundsätzlich die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vorab abzuziehen.
Rz. 180
Nach § 1609 BGB wird der Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt der erste Rang eingeräumt, so dass der Zahlbetrag für Kinder zunächst vom Einkommen abzuziehen ist.
Trotz dieses Vorrangs hängt jedoch die Höhe des zu zahlenden Unterhalts auch von eventuellen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Kindesmutter und/oder einem neuen Ehegatten ab. Der Anspruch eines Kindes kann in solchen Fällen nicht ohne weiteres aus einer hohen Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle abgelesen werden. Vielmehr kommt eine Herabstufung in eine niedrigere Einkommensstufe in Betracht, deren Bedarfskontrollbetrag unter Berücksichtigung von Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt noch gewahrt ist.
Der Vorrang greift allerdings im Mangelfall ein. Die Berechnung erfolgt in der Weise, dass bei Herabsetzung bis zur 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle möglich ist und anschließend der bis zum Selbstbehalt des Pflichtigen verbleibende Betrag unter gleichberechtigten weiteren Unterhaltsgläubigern aufgeteilt wird.
Rz. 181
Beispiel
Die frühere, nicht erwerbstätige Ehefrau betreut das 7-jährige behinderte Kind K1.
Die jetzige, ebenfalls nicht erwerbstätige Ehefrau betreut das 3-jährige Kind K2 und das 6 Monate alte Kind K3.
Der Kindesvater M verfügt über ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.800 EUR.
Kindesunterhalt ist nicht der 4. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen, sondern aus der 2. Einkommensgruppe zu berechnen. Die Herabstufung um zwei Einkommensstufen beruht auf der Unterhaltspflicht gegenüber mehr als drei Unterhaltsberechtigten.
Unterhalt K1: 528 EUR – 125 EUR (½ Kindergeld) = |
403 EUR |
Unterhalt K2: 459 EUR – 125 EUR (½ Kindergeld) = |
334 EUR |
Unterhalt K3: 459 EUR – 125 EUR (½ Kindergeld) = |
334 EUR |
|
1.071 EUR |
M muss der Bedarfskontrollbetrag der 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle von 1.650 EUR verbleiben, der seinem monatlichen Eigenbedarf (Selbstbehalt) gegenüber getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten entspricht. Dies ist der Fall, da ihm 1.729 EUR verbleiben.
Es besteht hinsichtlich der Unterhaltspflichten von M gegenüber seiner geschiedenen sowie seiner neuen Ehefrau ein Mangelfall, da er den vollen Unterhalt den Müttern gegenüber nicht zahlen kann.
Die Verteilung erfolgt nach den Regeln des Mangelfalls, und zwar unter den beiden Ehefrauen, die sich gleichrangig nach den Kindern (1. Rang) im 2. Rang der Unterhaltsberechtigung nach § 1609 BGB befinden. Dabei ist die Verringerung des Selbstbehalts des M wegen des Zusammenlebens und der damit verbundenen Ersparnis mit seiner neuen Ehefrau zu berücksichtigen.
2. Konkurrenz zwischen mehreren Ehegatten
Rz. 182
Im Falle der Unterhaltsberechtigung eines früheren und eines jetzigen Ehegatten war vor Inkraft...