Rz. 36
Durchaus bemerkenswert ist es, dass es nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ZVFV zulässig ist, die Formulare an geänderte Rechtsvorschriften anzupassen. Man sollte grundsätzlich erwarten, dass mit der Änderung von für die Formulare relevanten Rechtsänderungen zugleich auch die Formulare geändert werden. Die rechtstechnischen Schwierigkeiten dabei sollen aber nicht übersehen werden, wenn eine Rechtsnorm durch Gesetz geändert wird, während die Änderung der ZVFV erneut im Verordnungswege erfolgen müsste. Dies ist in einem Verfahren nicht möglich. Während bei der Gesetzesänderung als Akt der Legislative auch Bundestag und Bundesrat beteiligt sind, ist an der Änderung der Verordnung als Akt der Exekutive nur der Bundesrat beteiligt.
Der Zulässigkeit dieser Änderung liegt also die Erkenntnis zugrunde, dass regelmäßige Rechtsänderungen nicht auszuschließen sind; die Änderung der Formulare soll aber möglich sein, ohne dass jeweils der aufwändige Prozess einer Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung, insb. ihrer Anlagen, mit Zustimmung des Bundesrats durchlaufen werden muss.
So enthalten die bisherigen Formulare nach der ZVFV 2012 noch den Hinweis auf § 850c Abs. 4 ZPO für den Antrag auf Nichtberücksichtigung gesetzlich unterhaltsberechtigter Personen, während dieser Antrag schon seit dem 8.5.2021 seinen Platz in § 850c Abs. 6 ZPO gefunden hat.
Rz. 37
Die Änderungsbefugnis umfasst allerdings nicht nur die Berechtigung, die Formulare in der normativen Verortung anzupassen. Die Regelung greift deutlich weiter. Sie ermöglicht es auch, in die Module derart einzugreifen, dass zusätzliche Ankreuzmöglichkeiten und Textfelder geschaffen und zusätzlicher Text eingegeben wird, wenn der neue oder geänderte Norminhalt nicht nur an anderem Ort, sondern auch mit anderen Voraussetzungen geregelt wird.
Beispiel
Zuletzt hätte dies etwa bei der umfassenden Änderung von § 802l ZPO, d.h. der Einholung von Auskünften Dritter durch den Gerichtsvollzieher, Anwendung finden können. Die neuen Formulare zeigen gerade, dass hier umfassende Ergänzungen im Hinblick auf die Versorgungseinrichtungen notwendig waren.
Soll der Formularzwang seinen Sinn der Strukturierung und Vereinheitlichung als Grundlage von Automatisierung sowie der effektiven und zügigen Bearbeitung nicht verlieren, wird dies aber immer nur zeitweise und bei vergleichbar geringen Änderungen der Fall sein können. Bei größeren Gesetzesreformen in der Zwangsvollstreckung, die letztlich auch vom BMJ ausgehen oder begleitet werden, wird zu verlangen sein, dass eine Anpassung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung parallel betrieben wird, auch um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden und den Prozess der Zwangsvollstreckung als Massenverfahren nicht zu stören. Dies wird jedenfalls zeitnah dann anzunehmen sein, wenn die Vorlage eines Originaltitels in der Zwangsvollstreckung durch eine Erweiterung von §§ 754a, 829a ZPO nicht mehr notwendig ist.
Die Anpassungen können durch den Gläubiger oder seinen Bevollmächtigten erfolgen. Diese können sich wiederum auf Muster von Verlagen oder sonstigen Institutionen stützen. Solche Mustervorlagen Dritter können allerdings – auch wenn sie vom BMJ oder den Landesjustizverwaltungen stammen –, keine Nutzungspflicht nach sich ziehen. Die Vollstreckungsorgane werden für den Fall von Rechtsänderungen deshalb die Anpassung stets hinzunehmen haben, soweit sie nur lesbar und verständlich ist.