Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
Rz. 30
Unter welchen Voraussetzungen Klauseln zur Anordnung von Mehrarbeit einer AGB-Kontrolle standhalten, ist spätestens seit einer Entscheidung des BAG vom 22.2.2012 heiß umstritten. In dieser Entscheidung lässt das BAG zunächst offen, ob eine Anordnungsbefugnis – dort mit einer Abgeltungsklausel kombiniert – als Hauptleistungsabrede zu erachten ist, die keiner Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB unterliegt. Im Rahmen der Transparenzkontrolle des § 307 Abs. 1 BGB lässt das Gericht dann beiläufig anklingen, dass eine Klausel, die die Anordnung von Überstunden abstrakt an "betriebliche Erfordernisse" anknüpft, "vage" sei. Auch sei in der spezifischen Klausel der Umfang der anordenbaren Überstunden nicht bestimmt. Vor diesem Hintergrund erachtet das BAG die Klausel als intransparent und somit gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam.
Rz. 31
Für vorformulierte Anordnungsbefugnisse heißt das Folgendes: Zunächst ist (auch) in die Klausel zur Anordnungsbefugnis eine Höchstgrenze der abrufbaren Überstunden aufzunehmen. Da es um Transparenz der Anordnungsbefugnis geht, genügt ein Hinweis, wonach Überstunden bis zu den gesetzlichen Höchstarbeitszeiten abgerufen werden können. Eine weitergehende Einschränkung auf ein Stundenkontingent (etwa von plus 25 % der regelmäßigen Wochenarbeitszeit) diskutiert das Gericht nicht. Das wäre eine Frage der Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB gewesen, mit der sich das Gericht nicht befasst hat.
Im Ergebnis bedarf es eines solchen Stundenkontingents auch nicht. Zunächst ist zu überlegen, ob eine Anordnungsbefugnis überhaupt der Angemessenheitskontrolle unterliegt oder ob sie Teil der Hauptleistungsabrede ist. Denn wenn eine Regelung zur Abgeltung von Überstunden als Vergütungsabrede keiner Angemessenheitskontrolle zu unterziehen ist, so liegt es nahe, das auch auf ihr Pendant, die Regelung des Umfangs der abrufbaren Arbeitszeit mitsamt deren Voraussetzungen, zu übertragen. Auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BAG dürfte das indes nicht liegen. Diese erachtet einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Dauer der Arbeitszeit bislang als insoweit kontrollfähige Nebenabrede. Aber auch im Rahmen der Angemessenheitskontrolle dürfte kein Stundenkontingent zu fordern sein. Hiergegen streiten die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis. Das gilt gerade für Überstunden, die sich von anderen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung, etwa der Arbeit auf Abruf, dadurch unterscheiden, dass sie nicht nur vorübergehend, sondern auch ungeplant und unvorhergesehen anfallen. Dann lässt sich aber auch der Rahmen nicht vorab bestimmen, innerhalb dessen Überstunden anfallen. Die äußere Grenze bildet der Arbeitszeitschutz; darüber hinaus unterliegt die Anordnung von Überstunden im Einzelfall einer Billigkeitskontrolle am Maßstab des § 315 BGB. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht notwendig, zwischen Teilzeit- und Vollzeitverhältnissen zu unterscheiden.
Rz. 32
Ob angesichts der Entscheidung des BAG vom 22.2.2012 näher konkretisiert werden muss, bei welchen "betrieblichen Erfordernissen" Überstunden angeordnet werden können, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Die Entscheidung gibt tatsächlich Anlass zu einer solchen Vermutung; im Ergebnis ist sie aber schlicht nicht klar formuliert. Darüber hinaus definieren sich Überstunden – wie erwähnt – gerade darüber, ungeplant und unvorhergesehen zu sein. Dann dürfte es aber kaum gelingen, die Anlässe für Überstunden verlässlich zu konkretisieren, insbesondere wenn man nicht die eine Generalklausel durch eine andere austauschen will. Die Unwägbarkeit als Besonderheit des Arbeitsverhältnisses hat das BAG für tätigkeitsbezogene Versetzungsklauseln im Übrigen auch schon anerkannt; Anlässe für die Ausübung des Weisungsrechts sollen nicht vertraglich zu fixieren sein. Für ein einseitiges Recht zur Herabsetzung der Arbeitszeit aus "bedarfsbedingten Gründen" hat das BAG entsprechend entschieden. Vorliegend kann nichts anderes gelten. Das gilt umso mehr, als die Anordnungsbefugnis als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB wie das Weisungsrecht zum Arbeitsinhalt gemäß § 106 GewO einem weiteren Korrektiv unterliegt: Es ist im Einzelfall jeweils eine Billigkeitskontrolle bei Ausübung des Rechts vorzunehmen.
Vor diesem Hintergrund verweist die Musterklausel lediglich auf "betriebsnotwendige" Überstunden, ohne sich darin zu versuchen, dies weiter zu konkretisieren.