Rz. 192

Das Thema Wettbewerbsverbote weist einige Überschneidungen zu anderen Bereichen auf, die für die arbeitsrechtliche Vertragsgestaltung im Compliance-Bereich von Bedeutung sind: Zum einen zu Vertraulichkeitsvereinbarungen und Vereinbarungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. hierzu unter Rdn 154 ff.), zum anderen zu Nebentätigkeitsklauseln (vgl. hierzu unter Rdn 167 ff.). Ein geradezu klassischer Fall aus der Praxis mag das verdeutlichen:

 

Rz. 193

 

Beispiel

Ein Arbeitnehmer aus dem Bereich "Vertrieb/Sales" oder ein sonstiger "Knowhow-Träger" erhält ein attraktives Angebot eines Wettbewerbers, nimmt dies an, kündigt sein Arbeitsverhältnis (mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes) ordentlich zum Ablauf einer mehrmonatigen Kündigungsfrist, allerdings wird er infolgedessen mit Blick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unmittelbar gegen Fortzahlung seiner Bezüge freigestellt. Er hat gleichwohl vorher bereits Kundenlisten oder sonstige interne Dokumente dupliziert und nutzt seine freie Zeit während der Freistellung bereits für erste Vorbereitungshandlungen hinsichtlich seiner neuen Tätigkeit, indem er "seine" bisherigen Kundenkontakt "pflegt" oder sonstige vertrauliche Dokumente weitergibt oder sonst wie für seinen neuen Arbeitgeber nutzt.

 

Rz. 194

Hieran wird klar, dass alle drei genannten Bereiche – Vertraulichkeit, Nebentätigkeit und Wettbewerb – oftmals parallel betroffen sind, gleichwohl kommt dem letzteren Aspekt des Wettbewerbs maßgebliche Bedeutung zu. Dies liegt schlicht daran, dass ein gerichtsfester Nachweis einer Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht in der Praxis oftmals erhebliche Probleme aufwirft und ein bloßer Verstoß gegen Nebentätigkeitsverbote auf Rechtsfolgenseite zumeist kein derart scharfes Schwert bereitstellt, um auf derartige Wettbewerbsszenarien angemessen reagieren zu können. In Folge dessen kommt der Vereinbarung von Wettbewerbsverboten eine entscheidende Bedeutung zu, um für einen solchen Ernstfall – der zum einen in der Praxis nicht selten vorkommt und zum anderen mit umfassenden wirtschaftlichen Risiken für die betroffenen Unternehmen verbunden ist – gerüstet zu sein.

 

Rz. 195

Hierbei, und das lässt sich ebenfalls am genannten Beispiel verdeutlichen, ist eine grundlegende zeitliche Differenzierung zentral, denn Wettbewerbsverbote können sowohl den Zeitraum während eines laufenden Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ("vertragliche Wettbewerbsverbote"), aber auch den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreffen ("nachvertragliche Wettbewerbsverbote"), in denen bspw. wechselwilligen Arbeitnehmern jede Form von Wettbewerbshandlung, also bspw. die Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit für das genannte Konkurrenzunternehmen, untersagt ist. Mit Blick auf den Schutz der Bestandskunden oder vergleichbarer substantieller wirtschaftlicher Interessen bilden vertragliche und/oder nachvertragliche Wettbewerbsverbote also das entscheidende Instrument.

 

Rz. 196

Für beide Arten von Wettbewerbsverboten bestehen gesetzliche Anknüpfungspunkte: Für vertragliche Wettbewerbsverbote vor allem in den §§ 60, 61 HGB, für nachvertragliche Wettbewerbsverbote in den §§ 74ff. HGB. Gleichwohl weisen beide genannten Regelungskomplexe einen grundlegenden Unterschied auf, denn §§ 60, 61 enthalten bereits ein Wettbewerbsverbot für die Dauer des Vertrags einschließlich entsprechender Rechtsfolgeregelungen, während §§ 74ff. HGB kein derartiges Verbot an sich, sondern ganz im Gegenteil vor allem formale und sachliche Anforderungen an die wirksame vertragliche Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten regeln. Hieraus ergeben sich auch für die Vertragspraxis grundlegende Unterschiede, denn während ein vertragliches Wettbewerbsverbot dem Grunde nach auch ohne entsprechende Vereinbarung besteht, muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ausdrücklich vereinbart werden, wobei eine ganze Reihe formaler und inhaltlicher Anforderungen zu berücksichtigen sind bis hin zur Aufnahme einer bestimmten Karenzentschädigung für den Arbeitnehmer in Form von laufenden Geldzahlungen. Infolgedessen empfiehlt sich im Folgenden eine gesonderte Darstellung.

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