Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 54
Voraussetzung ist stets, dass der Anwalt im gerichtlichen Verfahren als Bevollmächtigter beauftragt wurde, wobei es ausreicht, dass das entsprechende Verfahren anhängig war. Festsetzbar sind nach § 11 Abs. 1 RVG zum einen die "gesetzliche" Vergütung, also diejenige, die nach den Gebührentatbeständen des VV RVG entstanden ist, sowie zum anderen Aufwendungen nach § 670 BGB. Ansprüche aus Vergütungsvereinbarungen oder Vergütungen nach dem BGB scheiden also aus. Die entsprechende Gebühr muss aber nicht zwingend durch eine Tätigkeit vor Gericht entstanden sein. Vielmehr reicht es aus, dass ein gerichtliches Verfahren überhaupt anhängig ist.
Rz. 55
Beispiel
Anwalt A macht für Fahrer F Unfallschäden in Höhe von 10.000 EUR gerichtlich geltend. Vor dem Verhandlungstermin einigen sich die Parteien über den Klageanspruch und über einen weiteren, nicht anhängigen Schmerzensgeldanspruch über 5.000 EUR, hinsichtlich dessen Klageauftrag besteht. Sie erklären daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.
A kann folgende Gebühren abrechnen:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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aus 10.000 EUR |
798,20 EUR |
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2. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101 |
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aus 5.000 EUR |
267,20 EUR |
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gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,3 aus 15.000 EUR |
933,40 EUR |
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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aus 15.000 EUR |
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861,60 EUR |
4. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003 |
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aus 10.000 EUR |
614,00 EUR |
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5. 1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 |
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aus 5.000 EUR |
501,00 EUR |
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insgesamt max. 1,5 aus 15.000 EUR |
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1.077,00 EUR |
6. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
2.892,00 EUR |
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7. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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549,48 EUR |
Gesamt |
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3.441,48 EUR |
Diese Gebühren können sämtlich im Verfahren nach § 11 RVG gegen F festgesetzt werden. Dies gilt auch für die gesamte Einigungsgebühr, da es ausreicht, wenn der Gegenstand der Einigung zumindest teilweise mit dem Verfahrensgegenstand identisch ist.
Rz. 56
War der Anwalt schon vor dem Klageverfahren mit der außergerichtlichen Regulierung beauftragt, so ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden. In § 15a Abs. 1 RVG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Geschäftsgebühr, ebenso wie die Verfahrensgebühr, auch angesichts der Anrechnungsregelung in Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG zunächst in voller Höhe selbstständig entsteht. Der Anwalt kann also beide Gebühren (Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr) fordern, im Ergebnis jedoch nicht mehr als den nach Anrechnung verbleibenden Teilbetrag der Gesamtsumme. Die Geschäftsgebühr kann der Anwalt gegen den eigenen Mandanten im Verfahren nach § 11 RVG dann geltend machen, wenn die Geschäftsgebühr zu den Vorbereitungskosten des gerichtlichen Verfahrens gehört bzw. wenn sie prozessbezogen ist.
Rz. 57
Es sind hier allerdings die Einschränkungen des § 11 Abs. 8 RVG zu berücksichtigen. Da es sich bei der Geschäftsgebühr um eine Rahmengebühr handelt, kann nur die Mindestgebühr von 0,5 festgesetzt werden, wenn nicht der Auftraggeber einer höheren Festsetzung ausdrücklich und schriftlich zugestimmt hat. Diese Zustimmungserklärung des Mandanten kann nicht schon bei Auftragserteilung erfolgen, sondern erst nach dem Abschluss der Angelegenheit. Im Übrigen bleibt dem Anwalt nur die Honorarklage gegen den Auftraggeber.
Rz. 58
Beispiel
Anwalt A hat Eigentümer E außergerichtlich bei der Regulierung eines überdurchschnittlich schwierigen Unfallschadens vertreten. Nachdem der gegnerische Haftpflichtversicherer auf die Forderung von 10.000 EUR mit dem Einwand der Mitverursachung durch E nur einen Betrag von 4.000 EUR gezahlt hat, wurden die restlichen 6.000 EUR auftragsgemäß eingeklagt. Nach Abweisung der Klage weigert sich E, die Rechnung des A zu zahlen.
A kann folgende Gebühren abrechnen:
I. Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 10.000 EUR) |
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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921,00 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
941,00 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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178,79 EUR |
Gesamt |
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1.119,79 EUR |
II. Gerichtliche Tätigkeit (Wert: 6.000 EUR) |
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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507,00 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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468,00 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
./. 0,75-Geschäftsgebühr aus 6.000 EUR |
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– 292,50 EUR |
Zwischensumme |
702,50 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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133,48 EUR |
Gesamt |
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835,98 EUR |
Im Verfahren nach § 11 RVG kann A neben den Gebühren für die gerichtliche Tätigkeit (835,98 EUR) nur eine 0,5-Geschäftsgebühr für die prozessbezogene außergerichtliche Tätigkeit geltend machen. Den Rest der Geschäftsgebühr muss A also ggf. einklagen.