Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 64
Bei der außergerichtlichen Unfallschadensregulierung gegenüber dem Haftpflichtversicherer ist die Beauftragung eines Anwalts eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung und damit Teil des ersatzfähigen Schadens nach § 249 BGB. Die Anwaltskosten fallen in den Schutzbereich von § 823 BGB, § 7 StVG, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich war.
Rz. 65
Während ansonsten die Kosten für das anwaltliche Aufforderungsschreiben, durch das der Verzug erst ausgelöst wird, nicht zu erstatten sind, ist dies in Verkehrsunfallsachen anders. Hier darf der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit gegenüber dem als Fachmann geltenden Haftpflichtversicherer sofort einen Anwalt beauftragen.
Rz. 66
Angesichts der Komplexität heutiger Schadensregulierungen und des vielfach anzutreffenden Widerstands vieler Versicherer gegen eine zügige und vollständige Regulierung benötigen Unfallgeschädigte nämlich fast immer anwaltliche Hilfe, um verlässlich beurteilen zu können, welche Schäden ersatzfähig sind und wie die entsprechenden Ansprüche durchgesetzt werden können. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Geschädigten um eine Autovermietung ohne eigene Rechtsabteilung handelt.
Rz. 67
Lediglich bei ganz einfach gelagerten Sachverhalten, bei Schäden im Bagatellbereich (bis ca. 500 EUR) oder wenn der gegnerische Versicherer den Schaden sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach voll anerkennt, wird man von der Beauftragung eines Anwalts zunächst absehen können. Dann muss der Geschädigte das erste Schreiben an den Versicherer selbst verfassen. Dies gilt aber nur, wenn der Versicherer daraufhin sofort und ohne Abstriche reguliert. Entscheidend ist, ob ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig handelnder Geschädigter auch bei mangelnder geschäftlicher Erfahrung allein tätig werden würde.
Rz. 68
Der Erstattungsanspruch gegen den Gegner umfasst diejenige Vergütung, die objektiv erforderlich für die anwaltliche Vertretung aufgewandt werden musste. Ob im Erstattungsprozess gegen den Haftpflichtversicherer ein Gebührengutachten nach § 14 Abs. 2 RVG einzuholen ist, ist umstritten. Der BGH hat die Frage offen gelassen.
Rz. 69
Ist die Honorarforderung bereits beglichen, besteht der Anspruch des Geschädigten auf Zahlung des jeweiligen Betrages. Steht die Gebührennote noch zum Ausgleich offen, kann der Auftraggeber nur Freistellung gemäß § 257 BGB verlangen. Dieser Befreiungsanspruch wandelt sich jedoch auch ohne Fristsetzung gemäß § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Gegner eindeutig zu erkennen gibt, dass er die Erfüllung ablehnt. Gleichwohl versuchen Versicherer bis heute, in einem – nach abgelehnter Regulierung – vom Geschädigten angestrengten Prozess die Zahlung der Anwaltskosten zu bestreiten und diesen auf die Freistellung zu verweisen. Dieser Ansatz ist unzutreffend. Allerdings ist zu bedenken, dass für den Fall, dass ein Rechtsschutzversicherer die Kosten beglichen hat, der Erstattungsanspruch auf diesen übergeht (§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG); hier sollte sich der Geschädigte die Ansprüche vor Prozessbeginn rückabtreten oder sich bestätigen lassen, dass er in gewillkürter Prozessstandschaft zur Geltendmachung berechtigt ist.
Rz. 70
Für die Selbstregulierung eines eigenen Unfallschadens entsteht dem Anwalt ein Ersatzanspruch gegen den Schädiger, der sich nach der Höhe desjenigen fiktiven Anspruchs berechnet, der entstanden wäre, wenn ein Geschädigter die Hilfe eines Anwalts in Anspruch genommen hätte. Dieser Anspruch setzt natürlich voraus, dass auch ein Nicht-Anwalt diese Kosten ersetzt bekommen hätte. Er scheidet also aus bei ganz einfach gelagerten Sachverhalten, bei Schäden im Bagatellbereich oder wenn der gegnerische Versicherer den Schaden nach Grund und Höhe sofort voll anerkennt.