Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 99
Eine Erstattungspflicht des Gegners hinsichtlich der außergerichtlichen Anwaltskosten kann sich mangels analoger Anwendbarkeit von § 91 ZPO nur aus materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen ergeben. Im Bereich der Unfallschadensregulierung kommen gesetzliche oder vertragliche Ansprüche in Betracht.
Rz. 100
Vertragliche Ansprüche sind etwa denkbar, wenn der Gegner bzw. sein Versicherer die entsprechenden Kosten in einer Regulierungsvereinbarung übernommen haben. Bei fehlender Vereinbarung können die Anwaltskosten als Teil des Sachschadens vom Schädiger bzw. dessen Versicherer aus Gefährdungshaftung (§§ 7, 17 StVG) bzw. Delikt (§ 823 BGB) verlangt werden. Die Anwaltskosten sind nur dann ersatzfähig, wenn der Geschädigte im einzelnen Schadensfall die Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte, wovon man jedoch bei der Regulierung eines Verkehrsunfalls im Regelfall ausgehen darf.
Rz. 101
Unabhängig davon, ob sich die Erstattungspflicht des Gegners bzw. seines Versicherers aus Gesetz oder Vertrag ergibt, müssen die entsprechenden Beträge – soweit keine freiwillige Zahlung erfolgt – im Mahn- oder Klageverfahren gerichtlich geltend gemacht werden. Die entsprechende Klage richtet sich auf Zahlung bzw. auf Freistellung von der Verpflichtung gegenüber dem Anwalt. Im Erstattungsprozess muss bei Streitigkeiten über die Höhe der Gebühr kein Gutachten der Anwaltskammer nach § 14 Abs. 2 RVG eingeholt werden, da diese Regelung nur im Honorarprozess zwischen Anwalt und Auftraggeber gilt. Da sich das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 103, 104 ZPO nur auf "Kosten des Rechtsstreits" bezieht, steht diese einfache Möglichkeit, an einen Vollstreckungstitel zu gelangen, bei einer rein außergerichtlichen Tätigkeit des Anwalts nicht zur Verfügung.