Rz. 71

Ist es im Rahmen der Schadensabwicklung aus Sicht des Geschädigten erforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Schadens beim eigenen Kaskoversicherer.[41] Wenn der Geschädigte einen Teil seines Schadens – sei es aus Gründen der teilweisen Mithaftung, sei es zur kurzfristigen Kreditbeschaffung[42] – bei der eigenen Kaskoversicherung geltend macht, dann handelt es sich dabei für den Anwalt um eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit (vgl. § 1 Rdn 94 ff.). Die dadurch anfallenden Anwaltskosten können ersatzfähig sein, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadensereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe erforderlich war.[43] Eine Erstattung scheidet aber aus, wenn die Kosten nicht erforderlich oder zweckmäßig waren. Dies hat der BGH[44] in einem Fall verneint, in dem der Mandant bei einem einfach gelagerten Sachverhalt seinen Schaden zunächst selbst gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend gemacht hat. Erst nachdem dieser seinem Leistungsverlangen nicht entsprochen hatte, schaltete der Mandant einen Anwalt ein, um den Schaden gegenüber dem eigenen Kaskoversicherer anzumelden, obwohl keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Kaskoversicherer seine Leistungspflicht in Abrede stellen würde.

 

Rz. 72

Die bei der Geltendmachung des Kaskoanspruchs entstehenden Anwaltskosten (im Regelfall die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) sind vom gegnerischen Haftpflichtversicherer als adäquater Sachfolgeschaden insoweit zu ersetzen, als sie auch entstanden wären, wenn sich der Geschädigte wegen seines gesamten Schadens ausschließlich an den Haftpflichtversicherer gewandt hätte.[45] Denn der Gegner bzw. sein Versicherer sollen nicht dadurch kostenmäßig entlastet werden, dass der Geschädigte einen Teil des Schadens selbst reguliert.

 

Rz. 73

 

Beispiel

Eigentümer E macht nach einem Verkehrsunfall 4.500 EUR Sachschaden beim eigenen Kaskoversicherer und 2.500 EUR Schmerzensgeld beim gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend (jeweils durchschnittliche Angelegenheit). Seine Mithaftung an dem Unfall beträgt 25 %, so dass der Haftpflichtversicherer einen Betrag von 1.875 EUR zahlt.

 
I. Gebühren für Kaskoschaden (Wert: 4.500 EUR)  
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   434,20 EUR
2. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 454,20 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   86,30 EUR
Gesamt   540,50 EUR
II. Gebühren für Haftpflichtschaden (Wert: 2.500 EUR)
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   288,60 EUR
2. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 308,60 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   58,63 EUR
Gesamt   367,23 EUR

Der Gesamtbetrag für die getrennte Regulierung beträgt damit 907,73 EUR. Hätte E seinen Gesamtschaden ausschließlich gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend gemacht, so wären aus einem Erledigungswert von 5.250 EUR folgende Gebühren angefallen:

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   507,00 EUR
2. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 527,00 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   100,13 EUR
Gesamt   627,13 EUR

Diesen Betrag kann E daher auch bei der getrennten Regulierung ersetzt verlangen. Den Restbetrag muss er gegenüber seinem Anwalt selbst tragen.

 

Rz. 74

Der Haftpflichtversicherer muss die Kosten für die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung im Rahmen seiner Eintrittspflicht auch dann ersetzen, wenn er den Geschädigten nach § 26 VVG auf die vorrangige Inanspruchnahme seines Kaskoversicherers verwiesen hat.[46]

 

Rz. 75

Andererseits können die durch eine Schadensanmeldung bzw. -abwicklung entstandenen Anwaltskosten dem Schädiger dann nicht zugerechnet werden, wenn sie sich auf eine Forderung beziehen, die über die Haftung des Schädigers – dem Grunde oder der Höhe nach – hinausgeht. Haftet der Mandant beispielsweise allein für den Unfall, so kann er die Anwaltskosten für die Inanspruchnahme seines Kaskoversicherers weder vom Gegner noch von seinem Rechtsschutzversicherer noch von seinem Kaskoversicherer verlangen.

 

Rz. 76

Kommt der gegnerische Haftpflichtversicherer allerdings mit dem geforderten Regulierungsvorschuss in Verzug oder verzögert sich die Regulierung aus anderen Gründen, die der Geschädigte nicht zu vertreten hat, kann er die durch die dann erforderliche Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entstandenen Anwaltskosten voll verlangen.[47]

[41] Vgl. zur Kaskoversicherung: OLG Karlsruhe VersR 1991, 1297; OLG Karlsruhe NZV 1990, 431; OLG Hamm zfs 1983, 12; Böhm, DAR 1988, 213; Notthoff, VersR 1995, 1399.
[42] Nach der Rechtsprechung des BGH (zfs 2007, 87) muss der Geschädigte vor einer Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung nicht die Regulierungsbereitschaft des gegnerischen Haftpflichtversicherers abwarten.
[45] OLG Hamm zfs 1992, 23; OLG Karlsruhe r+s 1990, 303; OLG Celle AnwBl 1983, 141; AG Kassel, Urt. v. 16.8.2013 – 435 C 12/13, juris; Mader...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?