Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 133
In der Praxis ist der Erstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer insbesondere in denjenigen Fällen von Bedeutung, in denen gegenüber dem gegnerischen Fahrer, Halter oder Versicherer die eigenen Anwaltskosten nicht oder nicht vollständig durchgesetzt werden konnten. Dies kann unterschiedliche Gründe haben:
a) Anspruch nur teilweise begründet
Rz. 134
Haften die Gegner nicht für sämtliche Schäden des Unfalls bzw. aufgrund Mithaftung des Mandanten nur nach einer Quote, so verbleibt ein Differenzbetrag an Anwaltskosten, der nicht vom Erstattungsanspruch erfasst wird.
Rz. 135
Beispiel 1
Eigentümer E macht Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR geltend. Der gegnerische Versicherer V wendet ein Mitverschulden am Unfall ein und reguliert nur 7.500 EUR.
Dann kann E die ihm entstandenen Anwaltsgebühren nur aus einem Erledigungswert von 7.500 EUR gegen V geltend machen. Er schuldet seinem Anwalt jedoch Gebühren aus einem Gegenstandswert von 10.000 EUR.
Rz. 136
Beispiel 2
E klagt Reparaturkosten nach Kostenvoranschlag in Höhe von 10.000 EUR ein. Der gerichtliche Sachverständige kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass nur 8.000 EUR für die Reparatur erforderlich sind. Das Gericht weist bei einer Kostenverteilung von 4/5 zu 1/5 die Klage teilweise ab, womit E 1/5 der ihm entstandenen Anwaltskosten nicht vom Gegner erstattet erhält.
Rz. 137
Für die verbleibenden Kosten kann der Rechtsschutzversicherer in Anspruch genommen werden, wenn die ursprünglich weitergehende Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sachlich gerechtfertigt war. Für diese Prüfung ist auf den Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche abzustellen. Um die spätere Zahlung des Rechtsschutzversicherers sicher zu stellen, empfiehlt sich unbedingt die Einholung einer Kostendeckungszusage für die in Aussicht genommene Rechtsverfolgung.
b) Vergütungsvereinbarung
Rz. 138
Beruht die nicht erstattungsfähige Differenz der Anwaltskosten darauf, dass der Mandant mit seinem Anwalt eine Vergütungsvereinbarung getroffen hat und die gesetzlichen Gebühren überschritten werden, so kommt eine Inanspruchnahme des Rechtsschutzversicherers nicht in Betracht. Denn dieser trägt nach § 5 Abs. 1a ARB 2010 bzw. 2.3.1.2 ARB 2012/2019 die Anwaltskosten nur bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung. Eine Erstattungspflicht für Kosten, die der Versicherungsnehmer ohne Rechtspflicht übernommen hat – und darum handelt es sich bei einer Vergütungsvereinbarung – ist nach § 5 Abs. 3a ARB 2010 bzw. 3.3.1 ARB 2012/2019 ausgeschlossen. Der Mandant muss daher die Mehrkosten selbst tragen.
c) Abrechnungsgrundsätze
Rz. 139
Für die Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers ist ohne Belang, ob der Anwalt des Versicherungsnehmers gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer nach den sog. Abrechnungsgrundsätzen liquidiert. Die Leistungsumfang nach § 5 ARB 2010 bzw. 2.3 ARB 2012/2019 berechnet sich nur nach den gesetzlichen Gebühren. Solange diese nicht überschritten werden, erhält der Mandant auch Differenzansprüche erstattet, die sein Anwalt von ihm nach Liquidation beim gegnerischen Haftpflichtversicherer einfordert. Solche Differenzansprüche kommen insbesondere vor, wenn der Versicherer die vom Mandanten geltend gemachte Forderung nur teilweise reguliert.
Rz. 140
Beispiel
E beauftragt zur Geltendmachung seines Sachschadens (7.500 EUR, überdurchschnittlich umfangreiche Angelegenheit) Anwalt A. Der gegnerische Versicherer V wendet ein hälftiges Mitverschulden des E ein und zahlt nur 3.750 EUR.
Folgende Gebühren sind für A entstanden (Wert: 7.500 EUR):
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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753,00 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
773,00 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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146,87 EUR |
Gesamt |
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919,87 EUR |
Gegenüber dem Versicherer kann A abrechnen (Wert: 3.750 EUR):
1. 1,5-Geschäftsgebühr (Abrechnungsgrds.) |
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417,00 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
437,00 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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83,03 EUR |
Gesamt |
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520,03 EUR |
Rz. 141
Den Differenzbetrag von 399,84 EUR kann A von E verlangen und dieser kann ihn wiederum bei seinem Rechtsschutzversicherer einfordern. Voraussetzung ist allerdings, dass die Geltendmachung des höheren Anspruchs ursprünglich gerechtfertigt war. Hat der Mandant dagegen seinen Anwalt mit der Durchsetzung unvertretbar hoher Ansprüche beauftragt, kann der Versicherer die Übernahme der Differenzgebühr mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 3a ARB 2010 bzw. 3.4 ARB 2012/2019) ablehnen.
d) Inanspruchnahme der Kaskoversicherung
Rz. 142
Nimmt der Mandant die eigene Kaskoversicherung in Anspruch – etwa, weil er den Unfall ganz oder teilweise mitverursacht hat –, so werden die dabei entstandenen Anwaltskosten (soweit sie nicht vom gegnerischen Haftpflichtversicherer zu erstatten sind – vgl. dazu Rdn 71 ff.) nur unter bestimmten Umständen vom Rechts...