Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 7
Unabhängig von der Frage, ob und in welchem Umfang der Unfallgegner bzw. dessen Versicherer für die Anwaltskosten haftet, kann der Anwalt stets die entstandene Vergütung von seinem Mandanten verlangen. Der Vergütungsanspruch ergibt sich aus dem Mandatsvertrag, der als entgeltliche Geschäftsbesorgung oder – im Fall der Gutachtenerstattung – als Werkvertrag anzusehen ist und mangels Schriftformerfordernissen auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann.
I. Umfang des Anspruchs
1. Allgemeines
Rz. 8
Der Anspruch besteht in Höhe der gesetzlichen bzw. der vereinbarten Gebühren. Die gesetzlichen Gebühren berechnen sich entweder nach dem RVG oder – in Fällen von Beratung, Gutachten und Mediation ohne Gebührenvereinbarung – nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 34 Abs. 1 RVG).
Rz. 9
Für den Gebührenanspruch des Anwalts ist der Ausgang des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Da die Vergütung nach dem RVG nicht als Erfolgshonorar ausgestaltet ist, kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sein Auftraggeber obsiegt hat. Dies ist erst bei der Frage der Kostenerstattung zwischen Mandant und Gegner zu beachten (vgl. Rdn 62 ff.).
2. Mehrere Auftraggeber
Rz. 10
Wird der Anwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, so erhält er nach § 7 Abs. 1 RVG zwar die Gebühren nur einmal. Nach Nr. 1008 VV RVG erhöhen sich jedoch – wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist – die Geschäfts- bzw. die Verfahrensgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3; die Erhöhung nach dieser Gebühr ist allerdings auf maximal 2,0 beschränkt. Die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber ist auch bei der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs zu berücksichtigen. Nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG schuldet nämlich jeder der Auftraggeber im Innenverhältnis zum Anwalt nur diejenigen Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt allein in seinem Auftrag tätig geworden wäre. Insgesamt kann der Anwalt nicht mehr als die nach § 7 Abs. 1 RVG berechneten Gebühren, also die Gebühren für die gesamte Angelegenheit einschließlich der Erhöhungsbeträge, fordern (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG).
Rz. 11
Beispiel
Fahrer F, Halter H und Versicherer V beauftragten Anwalt A mit ihrer Vertretung in einem Klageverfahren, in dem gegen sie Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden. Der Unfallgegner G verlangt von ihnen gesamtschuldnerisch Ersatz seines Sachschadens in Höhe von 10.000 EUR sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 EUR. Nach Beweisaufnahme wird die Klage abgewiesen.
Der Gebührenanspruch des A berechnet sich aus einem Wert von 11.500 EUR wie folgt:
1. 1,9-Verfahrengebühr, VV 3100, 1008 |
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1.265,40 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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799,20 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
2.084,60 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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396,07 EUR |
Gesamt |
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2.480,67 EUR |
Gegen jeden einzelnen Auftraggeber kann A einen Anspruch in Höhe von 2.005,15 EUR geltend machen, nämlich diejenigen Gebühren, die entstanden wären, wenn der betreffende Auftraggeber A allein beauftragt hätte (dann 1,3-Verfahrensgebühr in Höhe von 865,80 EUR statt 1,9-Verfahrensgebühr). Hat A diesen Betrag dann beispielsweise bei F erfolgreich geltend gemacht, so haften H und V gegenüber A lediglich noch in Höhe von 475,52 EUR, da A insgesamt nicht mehr als die nach § 7 Abs. 1 RVG berechneten Gebühren verlangen kann.
Rz. 12
Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für mehrere Auftraggeber nur teilweise derselbe, hat dies auch auf den Vergütungsanspruch gegen den einzelnen Auftraggeber Auswirkungen.
Rz. 13
Beispiel
Fahrer F, Halter H und Versicherer V beauftragten Anwalt A mit ihrer Vertretung in einem Klageverfahren, in dem gegen sie Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden. Der Unfallgegner G verlangt von ihnen drei gesamtschuldnerisch Ersatz seines Sachschadens in Höhe von 10.000 EUR sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 EUR. Gleichzeitig beauftragt Halter H den Anwalt, im Wege der Widerklage einen Sachschaden in Höhe von 5.500 EUR gegen G geltend zu machen. Nach Beweisaufnahme wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. An der Verteidigung gegen die Klage (11.500 EUR) sind alle drei Auftraggeber beteiligt. Am Gegenstand der Widerklage (5.500 EUR) ist dagegen nur H beteiligt.
Der Gebührenanspruch des A berechnet sich wie folgt:
1. 1,9-Verfahrensgebühr, VV 3100, 1008 |
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aus 11.500 EUR |
1.265,40 EUR |
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2. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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aus 5.500 EUR |
507,00 EUR |
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gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,9 aus 17.000 EUR |
1.463,00 EUR |
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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aus 17.000 EUR |
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924,00 EUR |
4. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
2.407,00 EUR |
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5. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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457,33 EUR |
Gesamt |
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2.864,33 EUR |
H haftet dafür maximal in folgender Höhe (Wert: 17.000 EUR):
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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1.001,00 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
924,00 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.945,00 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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369,55 EUR |
Gesamt |
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2.314,55 EUR |
F und V haften jeweils maximal in...