Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 106
Die Geschäftsgebühr muss mangels Festsetzung im Verfahren gesondert durchgesetzt werden. Als Nebenforderung im Hauptsacheverfahren kann sie kostenneutral (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO) eingeklagt bzw. im Mahnantrag geltend gemacht werden. Erfolgt dies nicht, sondern eine Geltendmachung durch eigene Klage, so droht der Einwand des Schädigers, gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen zu haben. Hat der Mandant die Vergütung noch nicht bezahlt, besteht nur ein Anspruch auf Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber seinem Anwalt. Scheidet die Geltendmachung als Nebenforderung aus, müssen die betreffenden Gebühren selbstständig eingeklagt werden.
Rz. 107
Wird die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren als Nebenforderung geltend gemacht und entsprechend tituliert, ist im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren § 15a Abs. 2 RVG zu beachten: Meldet der Anwalt die volle 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) zur Festsetzung an und beruft sich der Gegner bzw. sein Versicherer auf die bereits erfolgte Titulierung der außergerichtlichen Kosten, wird die Geschäftsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG angerechnet und die Verfahrensgebühr nur in entsprechend reduziertem Umfang festgesetzt. Die Rechtskraft des Titels ist dafür nicht erforderlich.
Rz. 108
Eine Anwendung von § 15a Abs. 2 RVG scheidet aber nach dem Wortlaut der Vorschrift aus, wenn außergerichtlich keine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV RVG entstanden ist, sondern die Partei mit ihrem Anwalt ein Pauschal- oder Stundenhonorar vereinbart hat. Denn in einem solchen Fall greift die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG nicht ein. Gleiches gilt, wenn vor Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung ein Anwaltswechsel stattgefunden hat, da die Anrechnung die Tätigkeit desselben Anwalts im außergerichtlichen und gerichtlichen Bereich voraussetzt.
Rz. 109
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Rechtsprechung in solchen Fällen tatsächlich trotz der Titulierung der außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten die volle Verfahrensgebühr festsetzt oder ob – beispielsweise aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht – nicht dennoch eine Anrechnung vorgenommen wird. Zumindest für den Fall eines sachlich begründeten Anwaltswechsels dürfte dies abzulehnen sein, da hier der Partei nicht der Vorwurf gemacht werden kann, vermeidbare Mehrkosten produziert zu haben.
Rz. 110
Problematischer ist dagegen der Fall eines vereinbarten Honorars für die außergerichtliche Tätigkeit: Der BGH hat zwar entschieden, dass eine solche vereinbarte Vergütung nicht der Anrechnung unterliegt. Diese Entscheidung betraf allerdings einen Fall, in dem im Kostenfestsetzungsverfahren lediglich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG geltend gemacht wurde, ohne dass bereits eine Titulierung der außergerichtlichen Anwaltskosten erfolgt war. Für den Fall, dass eine solche Titulierung vorliegt, ist Folgendes zu bedenken: Es gilt der Grundsatz, dass eine vereinbarte Vergütung als solche nicht erstattungsfähig ist. Im Falle des Obsiegens ist der Gegner vielmehr lediglich verpflichtet, die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der fiktiven gesetzlichen Gebühren zu erstatten, die der Anwalt hätte beanspruchen können. Andernfalls würde durch die Vergütungsvereinbarung als unzulässigem Vertrag zu Lasten Dritter eine Zahlungspflicht des Gegners begründet, welche die gesetzlichen Gebühren überstiege. Ohne Vergütungsvereinbarung hätten die gesetzlichen Gebühren für die außergerichtliche und die gerichtliche Tätigkeit des Anwalts jedoch nach § 15a Abs. 2 RVG aufgrund der bereits erfolgten Titulierung nur in Höhe des nach Anrechnung verbleibenden Betrages geltend gemacht werden können. Insofern wird die Rechtsprechung sich damit zu befassen haben, ob in solchen Fällen nicht insgesamt maximal derjenige Betrag festgesetzt werden darf, der sich ohne Vergütungsvereinbarung ergeben hätte, da nur in dieser Höhe von notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 ZPO gesprochen werden kann.