Rz. 246
Wegen der Geltung des einheitlichen Gesellschaftsstatuts richtet sich auch die Firma einer unselbstständigen Zweigniederlassung grds. nach dem Gesellschaftsstatut. Dennoch ist es bisher streitig, ob die Firma der Zweigniederlassung ausländischer Gesellschaften nach dem Recht am Ort des Verwaltungssitzes der Zweigniederlassung oder der Hauptniederlassung zu beurteilen ist. Auch letztere Meinung wendet aber inländische, speziell für die Zweigniederlassung geltende Vorschriften (z.B. §§ 13d Abs. 2 und 30 Abs. 3 HGB) als Recht des Gebrauchsortes an. Die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens kann zwar eine von der ausländischen Firma völlig abweichende Firma führen, muss dann allerdings – wie ein deutsches Unternehmen – einen Zweigniederlassungszusatz führen. Die Zweigniederlassung darf aber auch eine mit dem des ausländischen Unternehmens identische Firma ohne Beifügung eines Zweigniederlassungszusatzes führen. Dieser Meinungsstreit ist bei inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften von Nicht-EU-Staaten weiterhin von Bedeutung. Die diesbezüglich wohl h.M. geht weiterhin von der Anwendbarkeit des inländischen Firmenrechts nach dem Sitz der Zweigniederlassung aus. Die Zulässigkeit der ausländischen Firma der Hauptniederlassung ist allerdings, soweit diese in der Firma der Zweigniederlassung Verwendung findet, zuvor nach dem ausländischen Firmenrecht zu prüfen.
Rz. 247
Die neuere EuGH-Rspr. hat insb. bei den Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus den EG-Mitgliedstaaten Auswirkung. Nach "Inspire Art" ist entsprechend der hier vertretenen Ansicht zum Firmenstatut davon auszugehen, dass sich auch die Zulässigkeit der Firma der Zweigniederlassung, zumindest bei europäischen Auslandsgesellschaften nach dem Gründungsrecht der Hauptniederlassung richtet. Eine europäische Auslandsgesellschaft mit tatsächlichem Inlandssitz darf und muss im Grundsatz ihre nach ausländischem Recht zulässig gebildete Firma führen. Dann bedarf sie keines Zweigniederlassungszusatzes. Ausländisches Recht ist m.E. aber auch entscheidend, wenn sie eine eigene abweichende Firma mit einem entsprechenden Zweigniederlassungszusatz bildet. Abgesehen von der unbegründbaren Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die gegenteilige Meinung ist es firmenrechtlich auch kaum nachvollziehbar, dass eine deutsche Zweigniederlassung zwar die allein nach ausländischem Recht zu prüfende zulässige Firma der Hauptniederlassung, nicht aber die nach ausländischem Recht zulässige Zweigniederlassungsfirmierung führen dürfte. In beiden Fällen wird der Zusammenhang mit der ausländischen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht. Dadurch entfällt die bisher teilweise für alle Zweigniederlassungsfirmen geforderte zweistufige Prüfung durch das Registergericht zunächst der Firma der Hauptniederlassung nach ausländischem Recht und dann der Bildung der Firma der Zweigniederlassung nach deutschem Recht. Die entgegenstehende OLG Rspr. wendet zwar deutsches Recht insb. § 18 HGB an, legt dieses aber europakonform aus, sodass sich die Ergebnisse kaum von der hier vertretenen Ansicht unterscheiden.
Rz. 248
Auch die überwiegende Forderung nach einem Rechtsformzusatz mit Herkunftslandangabe muss bei der Firma der Zweigniederlassung einer europäischen ausländischen Gesellschaft neu bewertet werden. Denn der EuGH hat in seiner Entscheidung "Inspire Art" eine Kennzeichnungspflicht der Zweigniederlassung "als formal ausländische Gesellschaft" oder gar als Scheinauslandsgesellschaft für europarechtswidrig erklärt. Der Generalanwalt hatte ein solches Sonderfirmierungsverlangen als unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit eingeordnet. Der EuGH gelangt mit einer anderen Begründung zum selben Ergebnis. Die Elfte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie über Zweigniederlassungen enthalte in Art. 2 einen abschließenden Katalog der Offenlegungspflichten, wozu eine Sonderfirmierungspflicht nicht gehöre. Diese sei also unrechtfertigbar unzulässig. Eine Warnfunktion zugunsten Dritter, die in geschäftlichen Kontakt mit einer Scheinauslandsgesellschaft treten, kann demnach nur von einer – zulässigen – Pflicht ausgehen, unter ihrem ausländischen Rechtsformzusatz aufzutreten. Fehlt ein solcher ganz, wird vorgeschlagen, dass ein solcher Zusatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB anzufügen ist. Immerhin hat der EuGH anerkannt, dass die Lauterkeit des Handelsverkehrs grds. ein zwingendes Allgemeininteresse darstelle, das ggf. Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könne. Daraus kann aber allenfalls die Notwendigkeit eines differenzierenden Herkunftslandhinweises abgeleitet werden, wenn Verwechslungsgefahr mit einer inländischen Gesellschaftsform besteht (z.B. liechtensteinische AG oder österreichische GmbH in Deutschland, englische Ltd. in Irland). Dies dürfte auch nur dann gelten, wenn zwischen den verwechslungsfähig...