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Die Frage nach der zulässigen Nutzung von Sondereigentumseinheiten ist ein Problem, zu dem wohl die meisten Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht ergangen sind und weiterhin ergehen. Inwieweit Nutzungsangaben in der rein dinglichen Teilung (Festlegung als Wohn- oder Teileigentum), in der Gemeinschaftsordnung oder auch lediglich in den Aufteilungsplänen bindende Vereinbarungswirkung entfalten, hat die Rechtsprechung seit Inkrafttreten des WEG in einer nicht mehr überschaubaren Legion von Entscheidungen beschäftigt.[14] Bloße deklaratorische Bezeichnungen des Architekten in den Bauantragsplänen enthalten ohne besondere Hinweise grundsätzlich keine Nutzungsvereinbarung. Dennoch bleibt Vorsicht geboten.[15]

 

Praxistipp

Grundsätzlich gilt für die Gestaltungspraxis:

a) Unbedingt zu vermeiden sind Widersprüche zwischen Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung und Plänen. Daher ist das Studium der Pläne unabdingbar.
b) Enthalten Teilungserklärung und/oder Gemeinschaftsordnungsbeschrieb bzw. Pläne Nutzungsangaben, sollte klargestellt werden, ob sie verbindlich sein sollen oder nicht.
c) Sodann ist im Einzelfall abzuwägen, ob man eher dem Bestandsinteresse der Ersterwerber oder einer gewissen Zukunftsoffenheit den Vorrang geben sollte (sonst ggf. Problem der "versteinerten" Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung).

Das Muster geht einen Zwischenweg. Für die Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in Wohnungseigentumseinheiten wird die Zustimmung des Verwalters gefordert; dieser kann diese Frage selbstverständlich der Eigentümerversammlung zur Entscheidung vorlegen. Bei den Teileigentumseinheiten wird hingegen jede gestattete öffentlich-rechtliche Nutzung als zulässig erklärt (letzter Satz). Je nach Charakter der Anlage sind insoweit einzelfallbezogene Regelungen notwendig. Der Teufel liegt natürlich im Detail. Wenn Gewerbebetriebe jeglicher Art zulässig sind, soll nach Auffassung des AG Hamburg[16] zwar eine "härtere Form" sehr traditioneller gewerblicher Tätigkeiten unzulässig sein, nicht aber die "weichere Form" sexualbezogener Maßnahmen, jedenfalls in ei­nem studentisch liberal geprägten Stadtteil.[17] Neben den Gegebenheiten des einzelnen Grundstücks ist somit auch der Charakter der Umgebung mit in die Betrachtung einzustellen.[18]

[14] Vgl. statt aller Palandt/Wicke, § 15 WEG Rn 12 ff.; z.B. OLG Düsseldorf ZMR 2008, 393 f. "freiberufliche Tätigkeit" deckt "Digital-Druckerei"; OLG Düsseldorf ZMR 2008, 395 – Dachboden und "Hobbynutzung"; OLG München ZMR 2008, 71 "Laden"; großzügiger für Nutzungsangaben in den Plänen aber BGH ZMR 2010, 461 f.; BGH ZWE 2013, 20; BGH NJW 2016, 53 zum Laden als Gaststätte; dazu ausführlich Naumann, notar 2016, 117, 120; ausführlich zu mehreren "Laden"-Urteilen (BGH, Urt. v. 8.3.2019 – V ZR 330/17; Urt. v. 13.12.2019 – V ZR 203/18; Urt. v. 25.10.2019 – V ZR 271/18, alle juris) v. Türckheim, notar 2020, 99 ff.
[15] Langhein, notar 2013, 128.
[16] ZMR 2007, 831.
[17] A.A. aber LG Hamburg ZMR 2008, 828; ähnlich OLG Zweibrücken IMR 2008, 169; differenzierend Armbrüster, ZWE 2008, 365.
[18] Zum Streitstand im Übrigen ausführlich Böttcher, RPfleger 2006, 529 m.w.N.

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