Leitsatz (amtlich)
Verlangt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einer vor dem 1.12.2020 anhängigen Klage von einem Wohnungseigentümer Unterlassung einer gegen die Gemeinschaftsordnung verstoßenden Nutzung (hier: Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken), kommt es nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1.12.2020 für die Prozessführungsbefugnis des Verbandes nicht mehr darauf an, ob ein Vergemeinschaftungsbeschluss vorlag. Dies ist auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen.
Ein Sondereigentümer kann ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer sein Teileigentum nicht in Wohnungseigentum umwandeln, es sei denn, in der Gemeinschaftsordnung ist ein entsprechender Vorbehalt enthalten (sog. Änderungsvorbehalt).
Die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken ist bei typisierender Betrachtungsweise jedenfalls dann nicht störender als die vorgesehene Nutzung und deshalb zulässig, wenn es an einer einschränkenden Zweckbestimmung für das Teileigentum fehlt, die Teileigentumseinheit in einem separaten Gebäude (mit getrennter Kostenregelung) gelegen ist und auch die übrigen Sondereigentumseinheiten ausschließlich der Wohnnutzung dienen (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 23.3.2018 - V ZR 307/16 NJW-RR 2018, 1227 Rz. 9).
Normenkette
WEG § 1 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 4 S. 1, § 10 Abs. 3 S. 1, § 9a Abs. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 48 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 20.11.2019; Aktenzeichen 2 S 47/18) |
AG Heilbronn (Urteil vom 25.07.2018; Aktenzeichen 18 C 738/17 WEG) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden der Beschluss des LG Stuttgart - 2. Zivilkammer - vom 20.11.2019 aufgehoben und das Teilurteil des AG Heilbronn vom 25.7.2018 teilweise geändert. Der Klageantrag zu 2) (Untersagung der Nutzung als Wohnraum) wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentumsanlage gliedert sich in zwei auf einem Grundstück errichtete Gebäude mit insgesamt neun Einheiten. Das Haus mit der Hausnummer 36 ist in insgesamt acht Wohneinheiten unterteilt. Bei dem Gebäude mit der Nr. 36a (jetzt: Nr. 36/1) handelte es sich im Zeitpunkt der Teilung um eine fensterlose Scheune. Diese Sondereigentumseinheit gehört dem Beklagten. In der Teilungserklärung vom 12.4.1973 sind u.a. folgende Regelungen enthalten:
"§ 2 Wir erklären hiermit gegenüber dem Grundbuchamt, dass bezüglich des in § 1 näher bezeichneten Grundstücks verbunden werden (...) 1. ... ... 9. ein Miteigentumsanteil von 200/1.200 mit dem Sondereigentum (Teileigentum) an Geb. 36a H. straße (Lagerraum), im Aufteilungsplan mit Ziffer 12 bezeichnet. ... § 4 ... XVIII. Teileigentum ... Der jeweilige Eigentümer des in § 2 unter Ziffer 9 bezeichneten Teileigentumsrechts (Aufteilungsplan Nr. 12) hat kein Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums in Geb. 36 H. -straße. Die jeweiligen Inhaber der in § 1 unter Ziffer 1 bis 8 bezeichneten Wohnungseigentumsrechte haben kein Recht zur Nutzung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile von Geb. 36a H. straße. Die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt: a) hinsichtlich Geb. 36 H. straße: den jeweiligen Inhabern der in § 2 Ziffer 1-8 bezeichneten Wohnungseigentumsrechte, b) hinsichtlich Geb. 36a H. straße: dem jeweiligen Inhaber des in § 2 Ziffer 9 bezeichneten Teileigentumsrechts. Auch alle sonstigen Verwaltungskosten sind, soweit sie unterscheidbar sind, auf die Wohnungseigentumsrechte einerseits und das Teileigentum andererseits aufzuteilen und entsprechend zu tragen. XIX. Der jeweilige Inhaber des in § 2 Ziffer 9 bezeichneten Teileigentumsrechts ist berechtigt, beliebige bauliche Veränderungen an Geb. 36a H. straße vornehmen zu lassen, auch soweit hierdurch gemeinschaftliches Eigentum betroffen bzw. verändert wird. Das Erfordernis der jeweiligen baurechtlichen Zulässigkeit der Baumaßnahmen bleibt unberührt."
Rz. 2
2013 ließ der Beklagte das seiner Einheit zugeordnete Gebäude abreißen und begann damit, an derselben Stelle ein Einfamilienhaus zu errichten. Ein im Jahr 2014 von der Klägerin eingeleitetes einstweiliges Verfügungsverfahren, mit der die Errichtung des Wohnhauses verhindert werden sollte, wurde von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Durch notarielle Urkunde vom 31.5.2017 erklärte der Beklagte - gestützt auf die Regelung in § 4 Ziff. XIX der Teilungserklärung - eine Nutzungsänderung von Teileigentum in Wohnungseigentum und bewilligte und beantragte, die Änderung in das Grundbuch einzutragen. Am 12.7.2017 änderte das Grundbuchamt die Buchungsart des Sondereigentums des Beklagten von Teileigentum in Wohnungseigentum und trug Folgendes ein:
"200/1.200 Miteigentumsanteil an dem Grundstück ... verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 12 bezeichneten Wohneinheit (sämtliche Räume im Wohnhaus H. -straße 36/1 nebst Garage). ..."
Rz. 3
Gegen die Umschreibung im Grundbuch ist ein Beschwerdeverfahren anhängig. Mit der Klage verlangt die Klägerin - soweit von Interesse - dem Beklagten zu untersagen, das von ihm errichtete Gebäude als Wohnraum zu nutzen (Klageantrag zu 2), und ihn dazu zu verurteilen, "die im westlichen Bereich des Anwesens H. straße 36/1 ... angebaute Terrasse insoweit zurückzubauen, als sie das Grundstück der Klägerin im westlichen Bereich überbaut" (Klageantrag zu 3). Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten vor dem LG ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet er sich mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen den Beklagten gem. § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG (aF) einen Anspruch auf Unterlassung der Wohnnutzung. Sie habe diesen Anspruch, der grundsätzlich nur den einzelnen Wohnungseigentümern zustehe, in der Eigentümerversammlung vom 6.2.2017 an sich gezogen und sei deshalb prozessführungsbefugt. Unabhängig davon sei das erstmalige Bestreiten der "Aktivlegitimation" der Klägerin durch den Beklagten in der Berufungsinstanz gem. § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich.
Rz. 5
In der Sache widerspreche die Nutzung zu Wohnzwecken der Teilungserklärung. Die dortige Regelung in § 2 Nr. 9 sei eindeutig. Dies gelte sowohl für die Bezeichnung als Teileigentum als auch für die Bezugnahme auf die Beschreibung im Aufteilungsplan als Lagerraum. Da diese Angabe nicht nur in dem Aufteilungsplan vorhanden sei, sondern von der Teilungserklärung aufgegriffen werde, handele es um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Aus den übrigen Passagen der Teilungserklärung ergebe sich nichts anderes, auch wenn nicht verkannt werde, dass die beiden Gebäude 36 und 36a weitestgehend in Nutzung und Kostenabrechnung zu trennen seien. Die Wohnnutzung sei auch nicht deshalb ausnahmsweise zulässig, weil sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr störe als die zulässige Nutzung. Da die Teilungserklärung die Einheit des Beklagten als Teileigentum bezeichne, sei nach der Rechtsprechung des BGH bereits grundsätzlich Vorsicht geboten mit der Zulassung von Wohnnutzung. Bei typisierender Betrachtungsweise sei diese nämlich regelmäßig schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzung, weil eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums einhergehe und zu anderen Zeiten, nämlich rund um die Uhr an jedem Tag, auch am Wochenende, erfolge. Hinzu komme die Zweckbestimmung als Lagerraum; bei einer Wohnnutzung verursachten die Bewohner mehr und andere Immissionen als "unbelebtes Lagergut". Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Rückbau des Überbaus gemeinschaftlicher Flächen, weil der Hof nicht Teil des Gebäudes 36a sei und damit von der Regelung in § 4 Ziff. XIX der Teilungserklärung (Gestattung baulicher Veränderungen) nicht erfasst werde.
II.
Rz. 6
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 7
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von dem Beklagten nicht verlangen, die Wohnnutzung seiner Einheit zu unterlassen.
Rz. 8
a) Anders als die Revision annimmt, ist die Klage allerdings zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an der Prozessführungsbefugnis der Klägerin, deren Vorliegen der Senat gem. § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen hat, weil es sich um eine das Verfahren betreffende Voraussetzung handelt (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1999 - VIII ZR 78/98 NJW 2000, 738; Urt. v. 6.6.2019 - I ZR 67/18 NJW 2019, 3065 Rz. 12).
Rz. 9
aa) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis bejaht, weist allerdings Rechtsfehler auf.
Rz. 10
(1) Richtig ist zwar, dass nach der bisherigen Rechtslage für Ansprüche auf Unterlassung nach § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG a.F. wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums bzw. wegen einer Nutzung, die gegen eine in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung enthaltene Zweckbestimmung verstößt, eine sog. gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 WEG a.F. bestand. Er konnte die Geltendmachung der Ansprüche durch Beschluss an sich ziehen (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 169/14, NZM 2015, 787 Rz. 5 und 18; Urt. v. 15.12.2017 - V ZR 275/16, NZM 2018, 909 Rz. 8; Urt. v. 25.10.2019 - V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rz. 6). Eine solche Vergemeinschaftung möglicher Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten dürfte sich aber - wie die Revision zu Recht geltend macht - aus dem von dem Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss in Bezug genommenen Protokoll vom 6.2.2017 nicht ergeben.
Rz. 11
(2) Die weitere Begründung des Berufungsgerichts in dem Zurückweisungsbeschluss, das Bestreiten der "Aktivlegitimation" (gemeint: Prozessführungsbefugnis) der Klägerin durch den Beklagten sei gem. § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen, ist ebenfalls nicht tragfähig. Tatsachenvortrag zu den von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen darf nicht unter Anwendung von Präklusionsvorschriften unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1985 - IX ZR 73/85, NJW-RR 1986, 157 f.).
Rz. 12
bb) Die Frage, ob die Klägerin unter Anwendung des bisherigen Rechts prozessführungsbefugt ist, kann aber im Ergebnis offenbleiben. Dies gilt auch für die von der Klägerin erhobene Gegenrüge, eine Vergemeinschaftung ergebe sich aus dem Protokoll vom 3.7.2018. Die Prozessführungsbefugnis und die Anspruchsberechtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband sind nämlich durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16.10.2020 (BGBl. I 2020, 2187) mit Wirkung vom 1.12.2020 neu geregelt worden. Auf dieser Grundlage ist die Klägerin berechtigt, über das von ihr behauptete (streitige) Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen. Verlangt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einer - wie hier - vor dem 1.12.2020 anhängigen Klage von einem Wohnungseigentümer Unterlassung einer gegen die Gemeinschaftsordnung verstoßenden Nutzung, kommt es nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1.12.2020 für die Prozessführungsbefugnis des Verbandes nicht mehr darauf an, ob ein Vergemeinschaftungsbeschluss vorlag. Dies ist auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen.
Rz. 13
(1) Die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Unterlassungsansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB übt gem. § 9a Abs. 2 WEG der Verband aus, der deshalb nach neuem Recht schon kraft Gesetzes prozessführungsbefugt ist (vgl. hierzu auch BT-Drucks. 19/18791, 46; BGH, Urt. v. 7.5.2021 - V ZR 299/19 WuM 2021, 392 Rz. 6). Der Anspruch aus dem an die Stelle von § 15 Abs. 3 WEG a.F. getretenen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist nunmehr allein dem Verband zugewiesen. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ("gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" - im Unterschied zu § 14 Abs. 2 WEG: "gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern") und aus dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 19/18791, 52; , WEG-Recht 2021, Kapitel 3 Rz. 127, Kapitel 4 Rz. 27; , WEG-Reform 2020, Rz. 1395, 1492; a.A.; , WEG, 3. Aufl., § 14 Rz. 12: nur Ausübungsbefugnis gem. § 9a Abs. 2 WEG). Im Hinblick auf einen Anspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG folgt die Prozessführungsbefugnis des Verbands deshalb bereits aus dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass derjenige, der behauptet, Inhaber eines bestimmten Rechts zu sein, prozessual die Befugnis hat, dieses Recht im eigenen Namen einzuklagen (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2019 - V ZR 153/18 NJW 2019, 3446 Rz. 8).
Rz. 14
(2) § 9a Abs. 2 und § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG sind hier anwendbar und auch der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen, obwohl die Entscheidung des Berufungsgerichts vor dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes ergangen ist.
Rz. 15
(a) Ob infolge eines neuen Gesetzes geänderte Vorschriften auf schwebende Verfahren anzuwenden und auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen sind, richtet sich nach den in dem Gesetz enthaltenen Übergangsvorschriften. Fehlt es an solchen Vorschriften, gelten die neuen Regelungen grundsätzlich auch für bereits laufende Prozesse. Dies gilt sowohl für materiell-rechtliche Vorschriften (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.2009 - V ZR 74/08 NJW 2009, 999 Rz. 12 zu § 62 Abs. 1 WEG a.F. mit Ausnahmen für die Beurteilung der Gültigkeit vor dem Stichtag gefasster Beschlüsse) als auch für Änderungen des Prozessrechts (vgl. zur Prozessführungsbefugnis BGH, Urt. v. 18.10.1995 - I ZR 126/93, BGHZ 131, 90, 91; Senat, Urt. v. 7.5.2021 - V ZR 299/19, zur Veröffentlichung bestimmt). Auf den Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz kommt es nur bezüglich des für die Beurteilung der Prozessführungsbefugnis maßgeblichen Tatsachenstoffs an (vgl. Senat, Urt. v. 14.12.1959 - V ZR 197/58, BGHZ 31, 279, 283; BGH, Urt. v. 19.3.1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 219).
Rz. 16
(b) Eine Übergangsvorschrift, wonach bei einer noch vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes erhobenen und auf § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG a.F. gestützten Unterlassungsklage des Verbands gegen einen Wohnungseigentümer § 9a Abs. 2 und § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG keine Anwendung finden, enthält das Gesetz nicht. Dies folgt insb. nicht aus § 48 Abs. 5 WEG, wonach "für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht eingegangenen Verfahren die Vorschriften des dritten Teils dieses Gesetzes in ihrer bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden" sind. Weder § 9a Abs. 2 WEG noch § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG befinden sich im dritten Teil des neuen Wohnungseigentümergesetzes. Anders als in den Fällen, in denen ein Eigentümer einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB geltend gemacht hat, für den er nach neuem Recht nicht mehr prozessführungsbefugt ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 7.5.2021 - V ZR 299/19 WuM 2021, 392 Rz. 12 ff.), besteht in dem hier zu beurteilenden - umgekehrten - Fall, dass der Verband (möglicherweise) ohne einen nach altem Recht erforderlichen Vergemeinschaftungsbeschluss Rechte aus § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG a.F. geltend gemacht hat, keine Veranlassung für eine Anwendung des Rechtsgedankens von § 48 Abs. 5 WEG. Denn das Fehlen einer Übergangsvorschrift wirkt sich nicht nachteilig auf die prozessuale Stellung der klagenden Partei aus.
Rz. 17
b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Unterlassungsklage sei begründet.
Rz. 18
aa) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts.
Rz. 19
(1) Gemäß § 15 Abs. 3 WEG a.F. konnte jeder Wohnungseigentümer und nach Vergemeinschaftung der Verband von den übrigen Wohnungseigentümern einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der u.a. den Vereinbarungen entspricht. Nach dem nunmehr anwendbaren neuen Recht steht ein entsprechender Anspruch (ausschließlich) dem Verband zu (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Vereinbarungscharakter (§§ 5 Abs. 4 Satz 1, 10 Abs. 3 Satz 1 WEG) kommt insoweit auch der in der Teilungserklärung im weiteren Sinne (genauer: der Gemeinschaftsordnung, vgl. BGH, Urt. v. 23.3.2018 - V ZR 307/16 NJW-RR 2018, 1227 Rz. 6) enthaltenen Bestimmung zu, ob es sich bei dem jeweiligen Sondereigentum um Wohnungseigentum (§ 1 Abs. 1 WEG) oder um Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG) handelt. Hiermit wird nämlich festgelegt, ob die Einheit zu Wohnzwecken oder aber nicht zu Wohnzwecken genutzt werden darf. Nutzt ein Eigentümer seine ihm als Teileigentum zugewiesene Einheit zu Wohnzwecken oder umgekehrt eine ihm als Wohnungseigentum zugewiesene Einheit zu anderen Zwecken, kann von ihm grundsätzlich Unterlassung dieser Nutzung verlangt werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2017 - V ZR 193/16, BGHZ 216, 333 Rz. 5 f. m.w.N.).
Rz. 20
(2) In der Nutzung einer Sondereigentumseinheit, die der für diese Einheit durch die Eintragung im Grundbuch "verdinglichten" Zweckbestimmung widerspricht, liegt zugleich eine Verletzung des Eigentums der übrigen Sondereigentümer, die grundsätzlich einen - nach neuem Recht gem. § 9a Abs. 2 WEG zwingend und nach bisherigem Recht nach einer Vergemeinschaftung von dem Verband geltend zu machenden - Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB begründet (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2019 - V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rz. 16 ff.).
Rz. 21
bb) Das Berufungsgericht geht im Ergebnis auch zutreffend davon aus, dass die Wohnnutzung des Beklagten der nach der Teilungserklärung gestatteten Nutzung widerspricht. Nach § 2 Nr. 9 der Teilungserklärung vom 12.4.1973 handelt es sich bei der dem Beklagten gehörenden Einheit um Teileigentum, so dass nur eine Nutzung zu anderen als zu Wohnzwecken zulässig ist (§ 1 Abs. 3 WEG). Entgegen der Auffassung der Revision ändert sich hieran nichts dadurch, dass der Beklagte am 31.5.2017 eine Nutzungsänderung erklärt hat und seit dem 12.7.2017 das Sondereigentum des Beklagten in dem Grundbuch nicht mehr als Teileigentum, sondern als Wohnungseigentum ausgewiesen ist. Ein Sondereigentümer kann ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer sein Teileigentum nicht in Wohnungseigentum umwandeln, es sei denn, in der Gemeinschaftsordnung ist ein entsprechender Vorbehalt enthalten (sog. Änderungsvorbehalt). Letzteres ist hier indessen nicht der Fall.
Rz. 22
(1) Soll Teileigentum in Wohnungseigentum umgewandelt werden, erfordert dies grundsätzlich eine Änderung der Gemeinschaftsordnung, die materiell-rechtlich im Wege der Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erfolgt; grundbuchrechtlich bedarf es einer Bewilligung nach §§ 19, 29 GBO (vgl. Senat, Beschl. v. 4.12.2014 - V ZB 7/13, NJW-RR 2015, 645 Rz. 12; vgl. auch OLG München, NJW-RR 2014, 528, 529; ZMR 2017, 307; OLG Frankfurt, ZWE 2015, 320 Rz. 15; , WEG, 14. Aufl., § 1 Rz. 38; BeckOGK/, WEG [1.12.2020], § 1 Rz. 173 ff.; , WEG, 5. Aufl., § 1 Rz. 43; BeckOK/WEG/ [1.1.2021] § 7 Rz. 137 ff.; KEHE/, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 3 Rz. 69). Zu einer Vereinbarung mit allen übrigen Wohnungseigentümern über die Zulässigkeit der von dem Beklagten vorgenommenen Nutzungsänderung ist es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Zusammenhang mit dem für erledigt erklärten einstweiligen Verfügungsverfahren nicht gekommen.
Rz. 23
(2) Ein Sondereigentümer kann allerdings ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer sein Teileigentum in Wohnungseigentum umwandeln, wenn in der Gemeinschaftsordnung ein entsprechender Vorbehalt enthalten ist (sog. Änderungsvorbehalt). Grundsätzliche Bedenken gegen die Wirksamkeit eines solchen Vorbehalts bestehen nicht. Wie oben ausgeführt (vgl. Rz. 19), ist die Zuordnung zum Wohnungseigentum oder Teileigentum als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter (§§ 5 Abs. 4 Satz 1, 10 Abs. 3 Satz 1 WEG) zu qualifizieren. Sie ist Bestandteil der Gemeinschaftsordnung, die ähnlich einer Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer bildet und damit die Innenbeziehungen untereinander regelt. Anders etwa als bei der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum oder umgekehrt werden die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft, die einer Vereinbarung (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.2019 - V ZR 298/16 NJW 2019, 3716 Rz. 11 m.w.N.) und in der Folge auch einem Änderungsvorbehalt nicht zugänglich sind (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.2003 - V ZR 322/02 NJW 2003, 2165, 2166), bei der Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum nicht berührt (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.2012 - V ZR 189/11, NJW-RR 2012, 1036 Rz. 9). Vor diesem Hintergrund hat der Senat eine Regelung in einer Teilungserklärung, wonach der jeweilige Eigentümer einer Teileigentumseinheit befugt war, die seiner Berechtigung unterliegenden Dachgeschossbereiche auf eigene Kosten zu Wohnzwecken auszubauen und die neu geschaffenen Räume von Teileigentum in Wohneigentum umzuwandeln, sobald hierfür die behördlichen Genehmigungen vorliegen, als wirksam erachtet (vgl. Senat, Urt. v. 18.1.2013 - V ZR 88/12, ZWE 2013, 131 Rz. 2, 4 und 9; vgl. auch OLG München, NJW-RR 2014, 528, 529; , WEG, 14. Aufl., § 1 Rz. 42; BeckOGK/, WEG [1.12.2020], § 1 Rz. 183 f.).
Rz. 24
(3) Einen solchen Änderungsvorbehalt enthält die Teilungserklärung vom 12.4.1973 nicht. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt er sich insb. nicht aus § 4 Ziff. XIX.
Rz. 25
(a) Die in der Teilungserklärung enthaltene Gemeinschaftsordnung ist Bestandteil der Grundbucheintragung. Ihre Auslegung unterliegt daher vollen Umfangs der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Maßgebend sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (BGH, Urt. v. 26.6.2020 - V ZR 199/19, NJW-RR 2020, 959 Rz. 6 m.w.N.).
Rz. 26
(b) Nach dem Wortlaut berechtigt § 4 Ziff. XIX den Eigentümer des Teileigentumsrechts dazu, "beliebige bauliche Veränderungen an Geb. 36a H. -straße vornehmen zu lassen". Eine Ermächtigung, die Zuordnung als Teileigentum in Wohnungseigentum zu ändern, enthält die Teilungserklärung nicht. Von einer konkludenten Ermächtigung könnte nur ausgegangen werden, wenn das dem Teileigentümer eingeräumte Ausbaurecht ausdrücklich auch den Ausbau zu Wohnzwecken umfasste. Es ergäbe nämlich keinen (vernünftigen) Sinn und widerspräche einer nächstliegenden Auslegung, wenn eine Klausel zwar zum Ausbau zu einer Wohnung oder zum Ausbau eines Wohnhauses berechtigte, der Rechtsinhaber aber für die Änderung der Teilungserklärung auf eine Vereinbarung und damit auf die Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer angewiesen wäre (vgl. auch OLG München, NJW-RR 2014, 528, 529). Ein zur Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum berechtigender Änderungsvorbehalt ergibt sich bei nächstliegender Auslegung der Gemeinschaftsordnung aber nicht bereits aus einem - wie hier - dem Teileigentümer eingeräumten Recht, seine Einheit beliebig auszubauen. Vielmehr ist nächstliegend die Auslegung, dass der Ausbau nur innerhalb der sich aus der Teilungserklärung mit der Zuordnung als Teileigentum ergebenden Zweckbestimmung (§ 1 Abs. 3 WEG: "nicht zu Wohnzwecken") zulässig ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in der Zusammenschau mit den sonstigen Bestimmungen der Teilungserklärung. Dass es sich bei den übrigen acht Einheiten der Anlage um Wohneinheiten handelt, besagt als solches nichts dazu, ob die nach der Teilungserklärung als Teileigentum bezeichnete Einheit in Wohnungseigentum umgewandelt werden kann. Auch der Umstand, dass das Teileigentumsrecht - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts (vgl. nachfolgend unter Rz. 29) - nicht auf eine Nutzung als "Lagerraum" beschränkt ist, veranlasst keine abweichende Beurteilung. Diesem Umstand kommt zwar Bedeutung für die Frage zu, ob die tatsächliche Nutzung mehr stört als die nach der Teilungserklärung zulässige, berechtigt den Sondereigentümer aber nicht, ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer die Zweckbestimmung seiner Einheit zu ändern (vgl. OLG München, ZWE 2017, 307 Rz. 40).
Rz. 27
cc) Zutreffend prüft das Berufungsgericht ferner, ob die Wohnnutzung ausnahmsweise deshalb zulässig ist, weil sie nicht mehr stört als die zulässige Nutzung des Teileigentums. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann eine nach dem vereinbarten Zweck nicht gestattete Nutzung nicht untersagt werden, wenn diese bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung (BGH, Urt. v. 13.12.2019 - V ZR 203/18 NJW 2020, 1354 Rz. 10 m.w.N.; Urt. v. 25.10.2019 - V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rz. 24 m.w.N.). Diese Einschränkung des Unterlassungsanspruchs ist nach den Grundsätzen einer ergänzenden Vertragsauslegung gerechtfertigt. Der hypothetische Wille des teilenden Eigentümers geht bei einer Zweckbestimmung grundsätzlich nicht dahin, den Wohnungs- und Teileigentümern eine bestimmte Gestaltung ihres Privat- oder Berufslebens vorzugeben und das ihnen gem. Art. 14 GG i.V.m. § 13 WEG a.F. bzw. §§ 13, 16 Abs. 1 WEG zustehende Recht zur Nutzung ihres Eigentums über Gebühr einzuschränken. Vielmehr soll in erster Linie das Maß der hinzunehmenden Störungen festgelegt werden. Solange dieses Maß eingehalten wird, fehlt es in der Regel ebenso wie bei einer der Zweckbestimmung entsprechenden Nutzung an einem schutzwürdigen Abwehrinteresse der anderen Wohnungseigentümer bzw. des Verbands (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2019 - V ZR 203/18 NJW 2020, 1354 Rz. 10).
Rz. 28
dd) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine solche Einschränkung des Unterlassungsanspruchs verneint, ist aber von Rechtsfehlern beeinflusst.
Rz. 29
(1) Für die Prüfung, ob die tatsächliche Nutzung bei typisierender Betrachtung mehr stört als die in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene, ist im Ausgangspunkt maßgeblich, welche Nutzung der Einheit nach der Gemeinschaftsordnung zulässig ist. Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich § 2 Nr. 9 der Teilungserklärung nicht entnehmen, dass die Einheit des Beklagten nur als Lagerraum genutzt werden darf. Seine Auslegung, die der Senat vollumfänglich überprüfen kann (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2020 - V ZR 199/19, NJW-RR 2020, 959 Rz. 6 m.w.N.), lässt unberücksichtigt, dass eine Teilungserklärung, bei der zumindest unklar ist, ob sie eine Zweckbestimmung enthält, im Zweifel keine Einschränkung vorgibt (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2019 - V ZR 330/17 NJW-RR 2019, 519 Rz. 19). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geht aus der Teilungserklärung nicht mit der erforderlichen Klarheit hervor, dass die Teileigentumseinheit des Beklagten ausschließlich als Lagerraum genutzt werden darf. Hiergegen spricht insb. die nach § 4 Ziff. XIX dem Inhaber des Teileigentumsrechts umfassend ("beliebige bauliche Veränderungen") eingeräumte Ausbauberechtigung. Diese geht zwar einerseits nicht so weit, dass auch der Umbau zu Wohnzwecken umfasst wäre. Andererseits würde das Ausbaurecht aber weitgehend leerlaufen, wenn die Einheit nach einer baulichen Veränderung weiterhin die Eigenschaft eines Lagerraums aufweisen müsste und nur in diesem eingeschränkten Umfang genutzt werden könnte. Eine solche Auslegung liegt nicht nahe. Gegen sie spricht auch, dass sich unter § 3 Ziff. IV der Teilungserklärung eigenständige Gebrauchsregelungen für die Wohnungseigentumseinheiten finden, während es an gesonderten Gebrauchsregelungen für die Teileigentumseinheit fehlt. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein Grundstück mit bereits bestehenden Gebäuden aufgeteilt wurde, lässt sich die Angabe "Lagerraum" ohne Weiteres (nächstliegend) so verstehen, dass lediglich auf die zur Zeit der Aufteilung ausgeübte Nutzung Bezug genommen wird, um zu verdeutlichen, welche Räume zu welcher Einheit gehören (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2019 - V ZR 330/17 NJW-RR 2019, 519 Rz. 20; Urt. v. 27.10.2017 - V ZR 193/16, BGHZ 216, 333 Rz. 29). Folglich ist in der Einheit des Beklagten jede Nutzung möglich, die in einer Teileigentumseinheit zulässigerweise ausgeübt werden kann. Bei der Vergleichsbetrachtung, ob die Nutzung der Einheit des Beklagten als Wohnung mehr stört als die nach der Teilungserklärung vorgesehene, ist daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur von einem Lagerraum auszugehen, vielmehr sind alle gewerblichen Nutzungen einzubeziehen, zu denen sich die Einheit eignet und nach der Teilungserklärung ausgebaut werden darf.
Rz. 30
(2) Anders als es in dem Berufungsurteil anklingt, ist die Wohnnutzung im Vergleich zu einer gewerblichen Nutzung bei typisierender Betrachtung auch nicht regelmäßig als störender anzusehen. Dies folgt insb. nicht aus der Entscheidung des Senats vom 23.3.2018 zu einem sog. Ärztehaus ( NJW-RR 2018, 1227 Rz. 9). Dort bestand die Anlage ausschließlich aus Teileigentumseinheiten. In einem solchen Fall haben die Eigentümer ein berechtigtes Interesse daran, dass der durch die Teilungserklärung vorgegebene professionelle Charakter einer derartigen Anlage erhalten bleibt, um Konflikte, die durch eine in der Teilungserklärung nicht angelegte gemischte Nutzung hervorgerufen werden können, von vornherein zu vermeiden. Die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken in einem nur beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude stört deshalb bei typisierender Betrachtung regelmäßig mehr als die vorgesehene Nutzung (vgl. Senat, a.a.O., Rz. 9).
Rz. 31
(3) Anders kann es sich aber verhalten, wenn die Anlage - wie hier - im Übrigen nur aus Wohnungen besteht. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass die Wohnnutzung die intensivste Form des Gebrauchs einer Sondereigentumseinheit sei (in diesem Sinne wohl BayObLG, WM 1992, 704; WuM 1994, 222; vgl. auch BeckOGK/ [1.12.2020], § 14 Rz. 75; wie hier LG Berlin, ZMR 2019, 530 Rz. 13). Vielmehr kann eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken genauso störend oder störender als eine Wohnnutzung sein. Insbesondere muss die Nutzung einer Teileigentumseinheit bei typisierender Betrachtung nicht zwingend als auf die üblichen Geschäfts- oder Bürozeiten beschränkt anzusehen sein, sondern kann - baurechtliche Zulässigkeit vorausgesetzt - außerhalb dieser Zeiten und auch am Wochenende erfolgen, wie es etwa bei einer Gaststätte, einem Beherbergungsbetrieb, einem Call-Center, einem SB-Waschsalon, einem Sportstudio oder sog. Co-Working Spaces nicht untypisch ist. Zugleich werden der Publikumsverkehr und die Geruchs- und Lärmimmissionen bei einigen der genannten Nutzungen typischerweise nicht geringer sein als bei einer Wohnnutzung.
Rz. 32
(4) Diese Beispiele zeigen, dass abstrakte Aussagen, wann eine Wohnnutzung an Stelle einer Nutzung zu sonstigen Zwecken typischerweise mehr stört und deshalb von den übrigen Wohnungseigentümern hinzunehmen ist, nicht möglich sind. Erforderlich ist stets der Vergleich der mit der erlaubten und der tatsächlichen Nutzung in der konkreten Anlage typischerweise verbundenen Störungen (vgl. LG München I, ZMR 2016, 989 Rz. 37, 39; LG Berlin, ZMR 2019, 530 Rz. 11; LG Frankfurt a.M., ZMR 2019, 530 Rz. 11, 14; , WEG, 14. Aufl., § 15 Rz. 31). Um eine Vergleichsbetrachtung zu ermöglichen, hat der Tatrichter den Gebrauch nach dessen Art und den damit verbundenen Folgen (z.B. die zu erwartende Besucherfrequenz und Besucherstruktur) zu konkretisieren und zu den örtlichen Gegebenheiten (Umfeld, Lage der Räume im Gebäude, Nutzungszweck der übrigen Einheiten) und den zeitlichen Verhältnissen (z.B. Öffnungszeiten) in Bezug zu setzen (LG Berlin, ZMR 2019, 530 Rz. 11). Da es auf die konkrete Anlage ankommt, dürfen solche Nutzungen der Teileigentumseinheit, die öffentlich-rechtlich ausgeschlossen sind, als Vergleichsmaßstab bei der Bestimmung der zulässigen Nutzung nicht herangezogen werden. Störender ist die Wohnnutzung jedenfalls dann, wenn der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Vergleich zu einer Nutzung als Teileigentum höhere Kosten entstehen oder die Gefahr der erheblich intensiveren Nutzung von Gemeinschaftsflächen besteht (vgl. LG München I, ZMR 2016, 989 Rz. 39 f.).
Rz. 33
c) Die Verurteilung des Beklagten, die Wohnnutzung zu unterlassen, kann deshalb keinen Bestand haben; die Berufungsentscheidung ist insoweit gem. § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies hat die Abweisung der Unterlassungsklage zur Folge, da die Wohnnutzung des Beklagten bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die durch die Gemeinschaftsordnung zugelassene Nutzung.
Rz. 34
aa) Nach der in der Gemeinschaftsordnung nicht weiter eingeschränkten Zweckbestimmung ist der Beklagte grundsätzlich zu jeder Nutzung berechtigt, die in einer Teileigentumseinheit zulässig ist. Hierzu gehören auch solche Nutzungen, die rund um die Uhr, also auch am Wochenende oder aber nachts ausgeübt werden, wie dies beispielsweise bei einem Call-Center oder SB-Waschsalon der Fall sein kann. Selbst wenn die Wohnungseigentumsanlage in einem reinen Wohngebiet liegen sollte, wovon mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Klägerin auszugehen ist, wären jedenfalls kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes (z.B. eine Pension) unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). Vergleicht man die Wohnnutzung durch den Beklagten mit einer solcher Nutzung und den hiermit üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen für die übrigen Wohnungseigentümer, ist sie bei typisierender Betrachtungsweise insb. unter Berücksichtigung der gewöhnlicherweise zu erwartenden Lärm- und Geruchsimmissionen, der Besucherfrequenz und der Nutzungszeiten nicht als störender anzusehen (vgl. auch LG München I, ZMR 2016, 989; LG Berlin, ZMR 2019, 530; LG Frankfurt/M., ZWE 2019, 279; im Ausgangspunkt auch BayObLG, NZM 2005, 263; enger noch BayObLG WuM 1994, 222).
Rz. 35
bb) Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf höhere Kosten, die der Gemeinschaft bei einer Wohnnutzung im Vergleich zu einer Nutzung als Teileigentum möglicherweise entstehen könnten. Wie insb. § 4 Ziff. XVIII der Teilungserklärung zeigt, sollen die Inhaber der Wohnungseigentumsrechte und der Inhaber des Teileigentumsrechts weitgehend getrennt behandelt werden. Dies gilt nicht nur für die Gebrauchs- und Nutzungsrechte, sondern auch in Bezug auf die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums und die sonstigen unterscheidbaren Verwaltungskosten.
Rz. 36
cc) Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die gegen eine Zulässigkeit der Wohnnutzung sprechen. Anders als in dem von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil des Senats vom 23.3.2018 ( NJW-RR 2018, 1227 Rz. 9) dient das Gebäude hier nicht ausschließlich - und auch nicht teilweise, wie dies beispielsweise bei einem gemischt genutzten Gebäude mit einer Ladenzeile im Erdgeschoss und Wohnungen im Obergeschoss der Fall ist - beruflichen und gewerblichen Zwecken. Vielmehr handelt es sich bei sämtlichen übrigen Einheiten um Wohnungseigentumseinheiten. Wird bei einer solchen Anlage die einzig vorgesehene Teileigentumseinheit ebenfalls zu Wohnzwecken genutzt, können Unzuträglichkeiten, die mit einer gemischten Nutzung verbunden sind, nicht auftreten. Darüber hinaus befindet sich die Teileigentumseinheit in einem gesonderten Gebäude, so dass die Gefahr der erheblich intensiveren Nutzung von Gemeinschaftsflächen nicht besteht.
Rz. 37
dd) Wie der Beklagte seine Einheit konkret nutzt, ob er also ein eher leiser oder lauter Mitbewohner ist, ist für die Vergleichsbetrachtung demgegenüber unerheblich, da es um die Auslegung einer im Grundbuch eingetragenen Erklärung geht, die eine generalisierende Betrachtungsweise gebietet (vgl. Senat, Urt. v. 25.10.2019 - V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rz. 26; LG Berlin, ZMR 2019, 530 Rz. 16; LG Frankfurt/M., ZMR 2019, 714 Rz. 16). Dies schließt allerdings Unterlassungsansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB wegen einzelner störender Handlungsweisen des Wohnungseigentümers nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2019 - V ZR 203/18 NJW 2020, 1354 Rz. 33).
Rz. 38
ee) Danach ist die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken bei typisierender Betrachtungsweise jedenfalls dann nicht störender als die vorgesehene Nutzung und deshalb zulässig, wenn es - wie hier - an einer einschränkenden Zweckbestimmung für das Teileigentum fehlt, die Teileigentumseinheit in einem separaten Gebäude (mit getrennter Kostenregelung) gelegen ist und auch die übrigen Sondereigentumseinheiten ausschließlich der Wohnnutzung dienen.
Rz. 39
2. Keinen Bestand haben kann die Berufungsentscheidung auch insoweit, als das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten zu dem Rückbau der Terrasse bestätigt hat (Klageantrag zu 3).
Rz. 40
a) Wie die Revision zu Recht geltend macht, fehlt es dem von der Klägerin insoweit gestellten Antrag (derzeit) an der erforderlichen Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Bereich, den der Beklagte beseitigen soll, wird nicht hinreichend präzisiert. Welcher Teil der Terrasse gemeint ist, lässt sich aus der bloßen Angabe, soweit "sie das Grundstück der Klägerin im westlichen Bereich überbaut", nicht entnehmen. Diese Umschreibung ist deshalb untauglich, weil es "das Grundstück der Klägerin" nicht gibt; vielmehr steht der gesamte Grund und Boden - auch die Fläche, auf der die Sondereigentumseinheit des Beklagten steht - im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer. Eine - grundsätzlich ausreichende - Skizze mit den örtlichen Verhältnissen ist dem von dem Berufungsgericht bestätigten Teilurteil des AG nicht beigefügt.
Rz. 41
b) Da der Klägerin Gelegenheit gegeben werden muss, ihren derzeit unzulässigen Antrag zu präzisieren, ist die Sache insoweit nicht entscheidungsreif. Die Sache ist deshalb hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zum Rückbau der Terrasse an das Berufungsgericht zur Verhandlung und neuen Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 14739072 |
NJW 2021, 8 |
BauR 2021, 1858 |
NJW-RR 2021, 1239 |
MittBayNot 2022, 231 |
NZM 2021, 717 |
ZMR 2021, 11 |
ZMR 2021, 992 |
ZfIR 2021, 3 |
ZfIR 2021, 489 |
MDR 2021, 1524 |
WuM 2021, 637 |
ZWE 2021, 451 |
MietRB 2021, 297 |
NJW-Spezial 2021, 641 |
RNotZ 2022, 82 |
immobilienwirtschaft 2022, 50 |