A. Benzinklauseln
Rz. 1
Von der soeben in § 2 erörterten Haftung (z.B. des Fahrers oder Halters eines Kfz) zu unterscheiden ist die Deckung (Eintrittspflicht) des Kfz-Haftpflichtversicherers (zu dieser Unterscheidung sowie zur Deckung vgl. im Einzelnen § 13 Rdn 274 ff.). Der Umfang der Eintrittspflicht der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (KH-Versicherung) bestimmt sich nach § 10 AKB bzw. A.1.1 AKB 2008. Danach umfasst die Versicherung die Befriedigung begründeter (Befriedigungsfunktion) und die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche (Rechtsschutzfunktion), die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch den Gebrauch des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs ein Schaden entsteht. Der Text entspricht den Anforderungen, die § 2 KfzPflVV an die Pflichtversicherung stellt.
Rz. 2
Entscheidend ist dabei, ob ein Schaden durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht wurde, was dann zur Eintrittspflicht der KH-Versicherung nach § 10 Abs. 1 AKB bzw. A.1.1.1 AKB 2008 führt, oder ob der Schaden durch eine Handlung verursacht wurde, für die eine anderweitige Haftpflichtversicherung eintrittspflichtig wäre.
Rz. 3
Die Abgrenzung der Eintrittspflicht zwischen der KH-Versicherung einerseits und der allgemeinen Haftpflichtversicherung andererseits ergibt sich im Wesentlichen aus den Risikobeschreibungen in den Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen, die im Einzelfall von Versicherungsunternehmen zu Versicherungsunternehmen unterschiedlich sein können, sich aber regelmäßig auf die sog. große Benzinklausel und die sog. kleine Benzinklausel zurückführen lassen.
Rz. 4
Der wesentliche Unterschied der Benzinklauseln besteht darin, dass die sog. kleine Benzinklausel für die Abgrenzung der Eintrittspflicht zwischen KH-Versicherung und Privat-Haftpflichtversicherung verwendet wird. Die sog. große Benzinklausel findet dagegen für die Abgrenzung der KH-Versicherung zu den übrigen Haftpflichtversicherungen, insbesondere den Betriebshaftpflichtversicherungen, Anwendung.
Rz. 5
In der täglichen Praxis ist die sog. kleine Benzinklausel wesentlich bedeutsamer und vor allem in den privaten Haftpflichtversicherungsbedingungen einheitlich formuliert. In der privaten Haftpflichtversicherung ist nicht versichert "die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Fahrers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs gegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden" (Nr. 3 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privathaftpflichtversicherung – BBR).
Rz. 6
Die sog. große Benzinklausel ist noch umfassender formuliert und umfasst nicht die Haftpflicht wegen Schäden, die ein Versicherungsnehmer, ein Mitversicherter oder eine von ihm gestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder Kfz-Anhängers verursachen.
Rz. 7
Die oft schwierig zu beantwortende Frage, wann eine schadensstiftende Handlung dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzurechnen ist, ist auch unter vielen Versicherungsgesellschaften und innerhalb der Gesellschaften unter den einzelnen Versicherungssparten streitig, sodass der frühere HUK-Verband (kurzfristig Verband der Schadensversicherer – VdS genannt, jetzt "Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. – GDV") eine Paritätische Kommission eingerichtet hat, die durch Schiedsspruch entscheidet, welchem Versicherer der Schadensfall zuzuweisen ist. Die hierzu ergangenen Entscheidungen der Paritätischen Kommission tendieren – ebenso wie die Rechtsprechung – zu einer weitgehenden Eintrittspflicht des Kraftfahrthaftpflichtversicherers. Hintergrund ist unter dem Aspekt des Opferschutzes auch der Umstand, dass es sich bei der KH-Versicherung um eine Pflichtversicherung handelt, während bei der Zuordnung in den Bereich der Privathaftpflichtversicherung nicht stets Versicherungsschutz besteht.
Rz. 8
Ebenso zahlreich sind die hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen und Definitionsversuche zum Begriff des Gebrauchs eines Fahrzeugs. Der BGH hat in der Vergangenheit bei der Abgrenzung darauf abgestellt, welchem Risikobereich das Schadensereignis zugeordnet werden kann (BGH VersR 1977, 468 = DAR 1977, 243).
Rz. 9
Beispiel
Der Eigentümer hatte seinen Pkw zum Verschrotten in einer privaten Abfallgrube abgestellt, wo es einige Tage später durch spielende Kinder zu einer Tankexplosion kam, durch die diese erheblich verletzt wurden.
Rz. 10
Der BGH (a.a.O.) lehnte eine Eintrittspflicht der privaten Haftpflichtversicherung wegen der kleinen Benzinklausel ab. Er bejaht die Eintrittspflicht der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, weil sich hier eine Gefahr verwirklicht hat, die im Zusammenhang mit dem Besitz eines Kraftfahrzeugs steht. Das Abstellen auf einer privaten Müllkippe beendet diese Gefahr noch nicht, sondern erst das Verbringen des Fahrzeugs zu einem zugelassenen Schrottplatz.
Rz. 11
Beispiel
Ein Schulbusfahrer ließ Kinder aussteigen und verließ dann das Fahrzeug, um die Straße ...