Rz. 188
Definition
Gefahrerhöhung ist die nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht.
Rz. 189
Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn die Veränderungen der Gefahrenlage dem Versicherer vernünftigerweise Anlass bieten, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämien fortzusetzen. Maßgebend ist deshalb der Vergleich der aktuellen Gefahrenlage mit derjenigen bei Abschluss des Versicherungsvertrages. Die Risikolage muss sich dauerhaft so geändert haben, dass das Verhältnis zwischen Risiko und Prämie nicht mehr der Risikolage entspricht, die der Versicherer bei Abschluss des Versicherungsvertrags voraussetzen durfte. Bei dem Vergleich sind auch Verbesserungen des Risikos zu berücksichtigen.
Die Vorschriften über die Gefahrerhöhung können nicht dazu dienen, eine anfängliche Fehleinschätzung des Risikos nachträglich zu korrigieren. Deshalb besitzen die Antragsfragen für die Beurteilung, ob eine nachträgliche Gefahrerhöhung vorliegt, maßgebliche Bedeutung. Umstände, die den Versicherer ausweislich seines Fragekatalogs bei der Antragsprüfung nicht interessiert haben, können vernünftigerweise keine Gefahrerhöhung darstellen, und zwar bis zur Grenze der Arglist (§ 18 VVG), während umgekehrt die nachträgliche Veränderung von Umständen, nach denen ausdrücklich gefragt wurde, grundsätzlich gefahrerheblich ist.
Rz. 190
Beispiele für eine Gefahrerhöhung sind in A 23 VHB 2022 aufgeführt. Ist mit einem Wohnungswechsel lediglich die Änderung der Tarifzone (etwa Großstadt statt ländlichem Versicherungsort) verbunden, treten die Bestimmungen über die Gefahrerhöhung hinter der speziellen Regelung in A 16.5.1 VHB 2022 zurück. Dagegen liegt eine Gefahrerhöhung vor, wenn sich etwa die (nachgefragte) Bauweise des Gebäudes ändert (Bauartklasse) oder die Wohnung nicht mehr ständig bewohnt wird.
Bewohnt ist eine Wohnung, wenn der Versicherungsnehmer oder eine bei ihm wohnende Person darin ihren Haushalt führen, wobei Indiz für das Bewohnen die Übernachtung dieser Personen in der Wohnung ist. Bedingungsgemäß tritt eine Gefahrerhöhung erst ein, wenn eine ansonsten ständig bewohnte Wohnung länger als 60 Tage oder für den Einzelfall vereinbarte längere Frist hinaus unbewohnt bleibt. Ob die Beaufsichtigung der Wohnung durch einen Dritten, etwa ein regelmäßig kontrollierendes Wachunternehmen, ausreicht, ist streitig. Jedenfalls lässt jede Unterbrechung der Frist, und sei es auch nur für einen Tag, den maßgebenden Fristlauf neu beginnen. Die nachträgliche Änderung des Wertes und der Zusammensetzung des versicherten Hausrats stellt dagegen in keinem Falle eine Gefahrerhöhung dar, weil die Leistungspflicht des Versicherers durch die Versicherungssumme und die vereinbarten Wertgrenzen für Wertsachen und Bargeld von vornherein eingeschränkt ist.
Rechtsprechungsbeispiele
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Gefahrerhöhung verneint: bei Umzug aus Wohnung ohne gefahrerhebliche Umgebung in eine solche über einer Schreinerei; in Bezug auf das Feuerrisiko bei Leerstehen des Wohngebäudes, ohne dass dieses verwahrlost erscheint; vorübergehende Auslagerung von Kunst- und Hausratsgegenständen im Rahmen der Außenversicherung; bei Leerstehen des Hauses aufgrund Krankenhausbehandlung des Versicherungsnehmers bzw. wenn Gefahrerhöhung durch Sicherungsmaßnahmen ausgeglichen wird. |
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Gefahrerhöhung bejaht: bei mehrfachem Eindringen unbefugter Personen in ein leer stehendes Gebäude, auch wenn dieses nicht im Außenbereich liegt; bei zweimaligem Führen von Brandreden (ernstliche Aufforderungen zur Brandstiftung); bei Drohung mit Schutzgelderpressung; bei öffentlichen Äußerungen des Versicherungsnehmers, der zur Brandlegung gegen Geld bereit sei; bei Gasexplosionsdrohung eines eifersüchtigen Ehemannes; in Bezug auf das Einfrieren von Leitungen bei leerstehendem Gebäude, auch wenn dieses leicht beheizt und durch Hausmeister kontrolliert wird. |