Rz. 191
B 3.2.2.2 VHB 2022 verlangt, dass eine Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen ist. Während die vorvertraglichen Anzeigepflichten dem Versicherer Kenntnis über das ihm angediente Risiko verschaffen sollen, bezwecken die Vorschriften über die Gefahrerhöhung, dem Versicherer die Prüfung zu ermöglichen, ob er bei Änderung der Gefahrenlage zu seinem Nachteil das Risiko weiterhin zu unveränderten Bedingungen, nur zu erhöhter Prämie oder überhaupt nicht mehr zu tragen bereit ist. Dies ist wegen des Äquivalents zwischen Risiko und Prämie berechtigt.
Rz. 192
Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht bestimmen sich nach den §§ 23 ff. VVG. In den VHB sind diese weitestgehend in den Wortlaut von B 3.2.3 – 5 VHB 2022 übernommen.
Rz. 193
Der Versicherer kann das Versicherungsverhältnis kündigen (§ 24 VVG). Das Kündigungsrecht ist unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob ein schuldhafter Verstoß gegen die Anzeigepflicht vorliegt. Verschulden bedeutete noch nach § 24 VVG a.F. einfache Fahrlässigkeit, während § 24 VVG jetzt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verlangt. Die Kündigung beendet das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Fehlt es an einem entsprechenden Verschulden des Versicherungsnehmers, wird die Kündigung erst mit Ablauf eines Monats wirksam. Dasselbe gilt nach § 23 Abs. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 VVG, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung nicht veranlasst, d.h. weder selbst vorgenommen noch gestattet hat. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn die Kündigung nicht innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Anzeigepflichtverletzung erfolgt (Zugang beim Versicherungsnehmer) oder vor Ausspruch der Kündigung der Zustand wieder hergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestand.
Rz. 194
Weitere mögliche Rechtsfolge bei verschuldeter Gefahrerhöhung ist Leistungsfreiheit im Schadenfalle, wenn dieser zeitlich nach der Gefahrerhöhung liegt. Nach § 26 VVG führt nur ein vorsätzlicher Verstoß zur Leistungsfreiheit, während grobe Fahrlässigkeit nur zu einer Kürzung entsprechend dem Grad des Verschuldens führt. Leistungsfreiheit tritt nicht ein, wenn die Kündigungsfrist für den Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls bereits abgelaufen war und eine Kündigung nicht erfolgt ist. Leistungsfreiheit scheidet ferner aus, wenn die Gefahrerhöhung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistung des Versicherers hatte. Den Kausalitätsgegenbeweis muss der Versicherungsnehmer führen.
Merke
a. |
Versicherer kann fristlos kündigen, aber nur binnen Monatsfrist (§ 24 VVG); |
b. |
Leistungsfreiheit wenn
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Vorsatz des Versicherungsnehmers vorliegt |
▪ |
fristgerechte Kündigung erfolgt ist und |
▪ |
Kausalität zwischen Gefahrerhöhung + Versicherungsfall besteht. |
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c. |
Beweislast: Gefahrerhöhung → Versicherer, Entlastung → Versicherungsnehmer. |
Rz. 195
Bei unverschuldeter oder nicht veranlasster Gefahrerhöhung wird der Versicherer erst einen Monat nach dem Zeitpunkt leistungsfrei, in dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen (§ 26 VVG). Trotz Kenntnis der Gefahränderung fehlt es an einem Verschulden des Versicherungsnehmers, wenn er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht erkennt, dass die Änderung den Schadeneintritt generell wahrscheinlicher macht oder glauben darf, die Gefahrerhöhung sei genehmigt.