Rz. 3
Das heute geltende ArbZG ist 1994 in Kraft getreten. Es löste die seit 1938 geltende Arbeitszeitverordnung ab und führte über verschiedene Gesetze und Verordnungen verstreute Regelungen zusammen. Zweck des ArbZG ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern (§ 1 Nr. 1 ArbZG) sowie den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen (§ 1 Nr. 2 ArbZG).
Rz. 4
Die Möglichkeit, dass die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer mittels Smartphone, Laptop oder Internettelefonie zu jeder Zeit und an jedem Ort erbracht werden kann, konnte der Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigen. Vielmehr geht das ArbZG vom "klassischen Arbeitszeitmodell" aus, wonach der Arbeitnehmer von 9 bis 17 Uhr im Betrieb anwesend ist. Dieser "Nine-to-five-Job" ist im Zuge der Digitalisierung insofern vielfach zum Auslaufmodell geworden, als Arbeitnehmer ihre tägliche Arbeitszeit oftmals nicht mehr am Stück erbringen, sondern über den Tag oder über die Woche verteilt, mit Unterbrechungen und mit unterschiedlichen Arbeitszeiten von Tag zu Tag. Das führt dazu, dass z.B. abends oder am Wochenende von zu Hause aus E-Mails bearbeitet und Arbeitsaufträge für den nächsten Tag vorbereitet werden.
Rz. 5
Mit den auf das "klassische Arbeitszeitmodell" ausgerichteten Vorgaben des ArbZG geraten solche Arbeitszeitgestaltungen zwangsläufig in Konflikt. Nicht alle davon sind nach heute geltendem Recht aufzulösen. Das digitale Arbeiten begegnet also nach wie vor arbeitsrechtlichen Grenzen. Dies gilt insbesondere auch für das Arbeitszeitrecht. Trotzdem gibt es im ArbZG Gestaltungsmöglichkeiten, um die Arbeitszeitgestaltung an Arbeiten 4.0 anzupassen.
I. Geltungsbereich des ArbZG
Rz. 6
Größtmögliche Flexibilität für die Arbeitszeitgestaltung entsteht für Unternehmen und Arbeitnehmer dann, wenn das ArbZG keine Anwendung findet. Es bleibt dann den Arbeitsvertragsparteien überlassen, die Modalitäten der Arbeitszeitgestaltung festzulegen. Deshalb ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, auf welche Personen das ArbZG Anwendung findet.
1. Grundsätze
Rz. 7
Das ArbZG legt den Anwendungsbereich nicht ausdrücklich fest. Es definiert den Begriff des Arbeitnehmers in § 2 Abs. 2 ArbZG und legt in § 18 ArbZG fest, auf welche Personengruppen das ArbZG keine Anwendung findet. Dazu gehören u.a. die für die Arbeitswelt 4.0 bedeutende Gruppe der leitenden Angestellten.
a) Räumlicher Anwendungsbereich des ArbZG
Rz. 8
Das ArbZG ist ein öffentlich-rechtliches Arbeitsschutzgesetz; dies ermöglicht eine wesentlich effektivere Durchsetzung der mit dem ArbZG verfolgten Ziele (insbesondere Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und Garantie des Sonn- und Feiertagsschutzes; zum ArbZG als Arbeitsschutzgesetz siehe auch § 9 Rdn 86 ff.). Es gilt als solches nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland (Territorialitätsprinzip). Wird die Arbeitsleistung in der Bundesrepublik Deutschland erbracht, ist deshalb das ArbZG zu beachten. Unerheblich ist sowohl der Sitz des Arbeitgebers als auch der Wohnsitz oder die Nationalität des Arbeitnehmers.
b) Persönlicher Anwendungsbereich des ArbZG
Rz. 9
Das ArbZG gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer. Arbeitnehmer i.S.d. ArbZG sind gem. § 2 Abs. 2 ArbZG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer unter einen der Tatbestände des § 18 ArbZG fällt. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich des ArbZG herausgenommen. Ist keiner der Tatbestände des § 18 ArbZG erfüllt, fällt der Arbeitnehmer zwingend unter den persönlichen Geltungsbereich des ArbZG.
c) Ausschluss von leitenden Angestellten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG)
Rz. 10
Gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG ist das ArbZG nicht auf leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG anzuwenden.
Rz. 11
Leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
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zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (Nr. 1) |
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Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist (Nr. 2) |
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regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein (Nr. 3). |
2. Auswirkungen des Ausschlusses der leitenden Angestellten vom Anwendungsbereich des ArbZG auf Arbeiten 4.0
Rz. 12
Die Tatbestände von § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG können alternativ vorliegen. Selbst wenn ein Mitarbeiter also nicht über eine eigene Personaleinstellu...