Rz. 100
Auch bei der Vertrauensarbeitszeit sind die Aufzeichnungspflichten zu beachten. Gem. § 16 Abs. 2 S. 1 1. Hs. ArbZG ist der Arbeitgeber bislang nur verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit (§ 3 S. 1 ArbZG), vgl. Rdn 18, hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen; diese Aufzeichnungen sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Der Arbeitgeber muss also nach gegenwärtig geltender Rechtslage die Menge und die Lage der Arbeitszeit nicht generell dokumentieren, sondern lediglich die Überschreitungen.
Rz. 101
Hinweis
Solange ein Arbeitnehmer werktäglich nur bis zu 8 Stunden arbeitet, besteht also keine Aufzeichnungspflicht gem. § 16 Abs. 2 ArbZG.
Rz. 102
Zweck der Norm besteht darin, eine Überwachung der Einhaltung des Gesetzes durch die zuständigen Behörden zu gewährleisten. Der unnötige Verwaltungsaufwand soll dadurch begrenzt werden, dass ausdrücklich nur die über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen ist.
Rz. 103
Zuletzt hat sich der EuGH mit der Frage der Arbeitszeiterfassung befasst. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie regelt zwar selbst keine Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit. Nach Auffassung des EuGH müssen die Mitgliedstaaten dennoch Arbeitgeber dazu verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von jedem Arbeitnehmer täglich geleistete Arbeitszeit gemessen werden kann. Dies folge insbesondere aus der Pflicht der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die praktische Wirksamkeit der Rechte auf tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten (Art. 3 und 5) sowie auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit (Art. 6b) aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie und auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten aus Art. 31 Abs. 2 GRC zu gewährleisten. Die genaue Ausgestaltung dieses Systems obliege den Mitgliedstaaten.
Rz. 104
§ 16 Abs. 2 S. 1 1. Hs. ArbZG verpflichtet die Arbeitgeber bislang nur zur Aufzeichnung der über acht Stunden hinausgehenden werktäglichen Arbeitszeit (vgl. Rdn 100). Damit bleibt die Regelung hinter den Anforderungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie in der Auslegung durch den EuGH zurück. Der deutsche Gesetzgeber muss daher das ArbZG an die unionsrechtlichen Vorgaben anpassen und insbesondere die Form und die konkreten Modalitäten des Aufzeichnungssystems regeln. Dies ist bisher nicht erfolgt. Daher ist auch noch nicht absehbar, inwieweit das Instrument der Vertrauensarbeitszeit zukünftig weiter genutzt werden kann. In der Literatur wird jedoch darauf hingewiesen, dass es auch unter Beachtung der Entscheidung des EuGH weiterhin möglich sein wird, Vertrauensarbeitszeit im Betrieb einzuführen.
Rz. 105
Inhaltlich macht das ArbZG gegenwärtig keinerlei Vorgaben zur Art und Weise der Arbeitszeiterfassung. Ausreichende Nachweise sind deshalb z.B. Stundenaufschriebe, Stempeluhrkarten, Arbeitszeitenkarten sowie Lohnlisten. Nicht ausreichend ist allerdings eine Aufsummierung von Zeiten; vielmehr müssen detaillierte Aufzeichnungen geführt werden.
Rz. 106
Hinweis
Der Arbeitgeber muss bei seinen Überlegungen beachten, dass der Betriebsrat die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeiten selbst bei der Vertrauensarbeitszeit verlangen kann, weil der Betriebsrat in der Lage sein muss, die Einhaltung des ArbZG zu kontrollieren.
Rz. 107
Es ist gegenwärtig auch möglich, die Übertragung der Verpflichtung zur Aufzeichnung der eigenen Arbeitszeiten auf den Arbeitnehmer zu übertragen, indem der Arbeitgeber die Arbeitnehmer z.B. anweist, die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten oder die über 8 Stunden werktäglich hinausgehenden Arbeitszeiten aufzuschreiben. Soweit die Verpflichtung zur Aufzeichnung auf die Arbeitnehmer übertragen wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, gelegentliche stichprobenartige Kontrollen vorzunehmen.
Rz. 108
Hinweis
Es ist bislang nicht geklärt, ob das ArbZG den Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitszeitverstöße durch technische Maßnahmen (z.B. Serverabschaltung) oder durch arbeitsvertragliche Konsequenzen (z.B. Abmahnung) zu verhindern. Dagegen spricht, dass der Arbeitgeber nicht Aufseher über eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung seiner Arbeitnehmer ist.
Rz. 109
Arbeitgeber, die vorsätzlich oder fahrlässig Aufzeichnungen nicht oder nicht richtig erstellen oder nicht für die vorgeschriebene Dauer aufbewahren, handeln ordnungswidrig gem. § 22 Abs. 1 Nr. 9 ArbZG. Dieser Verstoß kann gem. § 22 Abs. 2 ArbZG mit einer Geldbuße bis zu 15.000 EUR geahndet werden.