Rz. 6
Größtmögliche Flexibilität für die Arbeitszeitgestaltung entsteht für Unternehmen und Arbeitnehmer dann, wenn das ArbZG keine Anwendung findet. Es bleibt dann den Arbeitsvertragsparteien überlassen, die Modalitäten der Arbeitszeitgestaltung festzulegen. Deshalb ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, auf welche Personen das ArbZG Anwendung findet.
1. Grundsätze
Rz. 7
Das ArbZG legt den Anwendungsbereich nicht ausdrücklich fest. Es definiert den Begriff des Arbeitnehmers in § 2 Abs. 2 ArbZG und legt in § 18 ArbZG fest, auf welche Personengruppen das ArbZG keine Anwendung findet. Dazu gehören u.a. die für die Arbeitswelt 4.0 bedeutende Gruppe der leitenden Angestellten.
a) Räumlicher Anwendungsbereich des ArbZG
Rz. 8
Das ArbZG ist ein öffentlich-rechtliches Arbeitsschutzgesetz; dies ermöglicht eine wesentlich effektivere Durchsetzung der mit dem ArbZG verfolgten Ziele (insbesondere Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und Garantie des Sonn- und Feiertagsschutzes; zum ArbZG als Arbeitsschutzgesetz siehe auch § 9 Rdn 86 ff.). Es gilt als solches nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland (Territorialitätsprinzip). Wird die Arbeitsleistung in der Bundesrepublik Deutschland erbracht, ist deshalb das ArbZG zu beachten. Unerheblich ist sowohl der Sitz des Arbeitgebers als auch der Wohnsitz oder die Nationalität des Arbeitnehmers.
b) Persönlicher Anwendungsbereich des ArbZG
Rz. 9
Das ArbZG gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer. Arbeitnehmer i.S.d. ArbZG sind gem. § 2 Abs. 2 ArbZG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer unter einen der Tatbestände des § 18 ArbZG fällt. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich des ArbZG herausgenommen. Ist keiner der Tatbestände des § 18 ArbZG erfüllt, fällt der Arbeitnehmer zwingend unter den persönlichen Geltungsbereich des ArbZG.
c) Ausschluss von leitenden Angestellten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG)
Rz. 10
Gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG ist das ArbZG nicht auf leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG anzuwenden.
Rz. 11
Leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
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zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (Nr. 1) |
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Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist (Nr. 2) |
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regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein (Nr. 3). |
2. Auswirkungen des Ausschlusses der leitenden Angestellten vom Anwendungsbereich des ArbZG auf Arbeiten 4.0
Rz. 12
Die Tatbestände von § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG können alternativ vorliegen. Selbst wenn ein Mitarbeiter also nicht über eine eigene Personaleinstellungs- und Entlassungsbefugnis oder eine handelsrechtliche Bevollmächtigung verfügt, kann er leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG sein. Insoweit unterscheidet sich die Definition des leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG von § 17 Abs. 5 KSchG, wonach als Arbeitnehmer i.S.d. KSchG nicht Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen gelten, soweit sie zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.
Rz. 13
Voraussetzung für § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG ist, dass die Mitarbeiter nach der Art ihrer Tätigkeit und der Bedeutung ihrer Funktion der Unternehmensleitung nahestehen. Sie müssen Aufgaben wahrnehmen, die für Bestand und Entwicklung eines Unternehmens oder Betriebs von Bedeutung sind. Es kommen wirtschaftliche, personelle, organisatorische, kaufmännische oder technische Aufgaben in Betracht. Die vom Gesetz verlangten besonderen Erfahrungen und Kenntnisse verlangen keine Formalqualifikationen; der Mitarbeiter kann die Kenntnisse auch durch längere praktische Tätigkeit oder durch Selbststudium erworben haben. Wesentliches Merkmal des leitenden Angestellten ist, dass er im Rahmen der unternehmerischen Leitungsaufgaben die Entscheidungen im Wesentlichen weisungsfrei trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Es kommt darauf an, ob sich die Tätigkeit des Angestellten darin erschöpft, vorgegebene Ziele zu erarbeiten, oder ob sie Raum für eine eigene unternehmerische Initiative lässt.
Rz. 14
Auch der Stabsangestellte kann leitender Angestellter sein, wenn er nur die unternehmerische Entscheidung "maßgeblich beeinflusst". Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die eigentlichen Entscheidungsträger an seinen durch Tatsachen und Argumente vorbereiteten Vorschlägen nicht vorbei können.
Rz. 15