Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 309
Manchmal überlegen Schenker, Erblasser oder Testamentsvollstrecker, ob es nicht gut wäre, für den bedürftigen Menschen vorsorglich Altersvorsorge durch Abschluss einer Versicherung zu betreiben. Beschenkte und erbrechtlich Begünstigte überlegen manchmal, die ihnen zugeflossenen Mitteln in eine solche Altersversorgung zu investieren. Wenn ein unmittelbar Berechtigter des Altersvorsorgevertrages der Bedürftige ist, so ist das gefährlich. Nur soweit das Altersvorsorgevermögen bereits bei Eintritt der Bedürftigkeit schon vorhanden war, kann unmittelbar von Vermögen ausgegangen werden. Im SGB XII sind Zuflüsse während des Bedarfszeitraums/Antragszeitraums aber Einkommen und nicht Vermögen. Es gelten dann bei ungeschütztem Altersvorsorgekapital die §§ 82 ff. SGB XII. Erst später kann sich Einkommen in Vermögen umwandeln. Erst dann findet § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII Anwendung.
Hinweis
Bezieht ein Bedürftiger nur SGB IX-Leistungen, dann ist eine Zuwendung aus Erbfall oder Schenkung von vorneherein nur Vermögen, für das die Verweisung des § 139 Abs. 1 S. 2 SGB IX auf § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII gilt. Im SGB II gilt § 12 Abs. 2 Nr. 2 und die Sonderregel der Ziffer 3, die für Unverwertbarkeitsvereinbarungen gilt.
Rz. 310
Nach § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII ist ein Kapital geschont, das der Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des XI. Abschnitts EStG dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Auch die Erträge dieses Kapitals sind geschont. Ihr Einsatz kann von der Sozialhilfe nicht verlangt werden. Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient, ist nur insoweit geschützt, als es aus staatlich geförderten Beiträgen im Sinne des Altersvermögensgesetzes gebildet wurde.
Rz. 311
Andere als in § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII genannte Vermögensanlagen, wie z.B. Lebensversicherungen, sind nicht geschont. Allgemein gilt, dass Vermögen zum einen der Hauptleistungsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen aus der Versicherung zum Zeitpunkt ihres Ablaufs ist, zum anderen sind Vermögen auch alle aus der vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung eines solchen Vertrags, etwa durch eine Kündigung. Die Kündigung des Vertrages ist ebenso wie die Beleihung trotz Verwertungsausschluss eine zumutbare Verwertungsalternative. Der Wunsch, vorhandenes Kapital als Altersvorsorge beizubehalten, genügt den Anforderungen von § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII nicht.
Rz. 312
Auch die Vereinbarung eines Verwertbarkeitsausschlusses bringt dem Grundes nach nicht weiter und ist gefährlich. Die Zuwendung einer Versicherung mit Verwertbarkeitsausschluss fällt – anders als im SGB II – nicht unter den Schonvermögenstatbestand des § 90 Abs. 2 SGB XII, sondern ist zuallererst ggf. ein Fall des rechtlichen Verwertungsausschlusses. Es muss geprüft werden, gegenüber wem er gilt. Das angesparte Versicherungsguthaben kann auch so gering sein, dass es an die Stelle des Barvermögensschutzes in § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII fällt. Schließlich kommt ggf. ein Schutz über § 90 Abs. 3 SGB XII in Betracht, der aber nicht von Anfang an sicher kalkulierbar ist. Würde jedoch ein Verwertungsausschluss greifen, so weist das BSG ausdrücklich auf die Konsequenzen hin, wenn der Leistungsempfänger den Ausschluss vereinbart hat. Dann kommen die Versagung von Grundsicherung nach § 41 Abs. 4 SGB XII, die Herabsetzung von Leistungen nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII und der Kostenersatzanspruch nach § 103 SGB XII in Betracht.