Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 91
Im SGB XII kann der Sozialhilfeanspruch nicht nur durch den Zufluss eigener Mittel gehindert oder vernichtet werden, sondern auch durch die Mittel Dritter. Wenn Bedürftige mit Ehegatten, Lebenspartnern, Eltern oder minderjährigen Kindern in häuslicher Lebensgemeinschaft zusammenleben, wird bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht darauf abgestellt, ob ein familienrechtlicher Unterhaltsanspruch besteht, wem das Eigentum an einer Sache zugewiesen ist oder welcher Güterstand vereinbart wurde. Es wird auf die Einsatzgemeinschaft im SGB XII abgestellt oder ggf. auch die Vermutung herangezogen, dass die nachfragende Person mit Personen, mit denen sie in einer Wohnung oder einer entsprechenden Unterkunft zusammenlebt, gemeinsam wirtschaften (Haushaltgemeinschaft) und die nachfragende Person von diesen Personen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
Rz. 92
§ 20 SGB XII verbietet außerdem, dass Personen in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialleistungen besser behandelt werden als Ehegatten. Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel des SGB XII) bestimmt § 43 Abs. 1 SGB XII deshalb ausdrücklich, dass auf Einkommen und Vermögen des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft zusätzlich abzustellen ist.
Rz. 93
Das SGB XII geht damit weit über die zivilrechtlichen Unterhaltspflichten hinaus: Für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel (§§ 27–40 SGB XII) bestimmt § 19 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 S. 2 SGB XII, dass bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern das Einkommen und das Vermögen beider Ehegatten/Lebenspartner gemeinsam zu berücksichtigen sind. Gehören minderjährige unverheiratete Kinder dem Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils an und können sie den notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen oder Vermögen nicht bestreiten, so ist auch das Einkommen und das Vermögen der Eltern und das Vermögen des Elternteils gemeinsam zu berücksichtigen.
Rz. 94
Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel (§§ 41–43 SGB XII) sind nach § 19 Abs. 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB XII das Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten, Lebenspartners oder Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII übersteigen, nach Maßgabe des § 43 SGB XII zu berücksichtigen.
Für die Hilfen in speziellen Lebenslagen nach dem 5.–9. Kapitel (§§ 47–74 SGB XII) bestimmt § 19 Abs. 3 SGB XII, dass sie geleistet werden, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des elften Kapitels des SGB XII (§§ 82 ff. SGB XII) nicht zuzumuten ist.
Rz. 95
Hinweis
Im sozialhilferechtlichen Leistungstatbestand werden bei der Prüfung des Einsatzes von Mitteln auch die Mittel der Personen aus der Einsatzgemeinschaft einbezogen, also z.B. der als Vermögen zu verwertende Miteigentumsanteil der Ehegatten, das Vermögen der Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung und – trotz wechselseitigen Unterhaltsverzichts – auch die Erbschaft eines nicht getrennt lebenden Ehegatten als Einkommen.
Bei der Betrachtung der Auswirkungen von Erbschafts- und Zuwendungsfällen in Familien mit Sozialleistungsbeziehern geht es also nicht nur um den unmittelbaren Leistungsempfänger.
Über die Auswirkungen eines Erbfalls müssen sich auch nicht unmittelbar verwandte Erblasser und Schenker Gedanken machen, so z.B., wenn ein bis dahin nicht bedürftiger Sohn mit einer Hartz-IV-Bezieherin zusammenlebt und nunmehr durch Erbfall/Schenkung Mittel erwirbt. Da er Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ist, hat die Zuwendung an ihn Auswirkungen auf den sozialhilferechtlichen Leistungsanspruch des bedürftigen Dritten. Mittelbar müssen Schenkung und Begünstigungen aus einem Erbfall dann ggf. eingesetzt bzw. verwertet werden.