Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 132
In § 92 SGB XII wird die Frage der Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes bei Unterbringung in stationären Einrichtungen für die Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII konkretisiert.
Für die Hilfen in speziellen Lebenslagen des 5.–9. Kapitels füllen die §§ 85 ff. SGB XII den Begriff des zumutbaren Einkommenseinsatzes im Sinne von § 19 Abs. 3 SGB XII. Die §§ 85 ff. SGB XII enthalten Sonderregeln über Einkommensgrenzen für diese Hilfen, also insbesondere die in der Praxis relevante Hilfe zur Pflege.
Hilfe zur Pflege etc. werden nach § 19 Abs. 3 SGB XII geleistet, soweit
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dem Leistungsberechtigten |
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dem nicht getrenntlebenden Ehegatten und Lebenspartner (= Einsatzgemeinschaft) |
die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist.
Rz. 133
Die Zumutbarkeit des Mitteleinsatzes wird im ersten Schritt durch § 85 SGB XII konkretisiert. Die Aufbringung der Mittel ist danach nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs das Einkommen der nachfragenden Person und ihres nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartners zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
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einem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII, |
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den Kosten der Unterkunft, soweit die Aufwendungen hierfür den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und |
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einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle EUR aufgerundeten Betrages, also: 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden. |
Rz. 134
Bei den Unterkunftskosten ist zu beachten, dass die Angemessenheit sich nicht nach den Prüfungsmaßstäben der Hilfe zum Lebensunterhalt im Allgemeinen richtet Bei dieser Prüfung muss ein Vergleich mit der Lage von Personen angestellt werden, die in einer ähnlichen finanziellen Situation waren wie die Hilfesuchenden. Besonderheiten, wie z.B. der Mehrbedarf an Wohnraum für eine Behinderung/notwendige Pflege, sind bei den Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen.
Rz. 135
Für die Hilfen nach dem 5. bis 9. Kapitel wird sodann strukturell zwischen
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dem Einkommenseinsatz oberhalb der Einkommensgrenzen (§ 87 SGB XII) |
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dem Einkommenseinsatz unterhalb der Einkommensgrenzen (§ 88 SGB XII) |
unterschieden.
Soweit das zu berücksichtigende Einkommen die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII übersteigt, ist die Aufbringung der Mittel nach § 87 SGB XII in angemessenem Umfang zuzumuten. Insbesondere Art des Bedarfs, Art und Schwere der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen sind zu berücksichtigen. Die Aufzählung ist nicht abschließend.
Rz. 136
Als nachgewiesene Belastungen kommen, anders als bei der "normalen" Einkommensberechnung, in Betracht:
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Schuldverpflichtungen, die vor Eintritt des Bedarfs eingegangen sind oder bei länger anhaltendem Bedarf später eingegangen werden, insbesondere aus vertretbaren Ratenkäufen; vertretbar ist ein angemessener Umfang, wenn die monatliche Rate 10 % des bereinigten Einkommens nicht übersteigt. |
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Erforderliche Aufwendungen sind z.B.:
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bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, Krankenkost, teure Arzneien, Zahnersatz, erhöhte Fahrtaufwendungen für Taxen, Heil- und Erholungskuren, Haushaltshilfen, Pflegepersonen oder Pflegekräfte |
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unvermeidbar hohe Kosten für Heizung und Zuschläge für Warmwasser |
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Kosten für den Besuch naher Angehöriger (Eltern, Kinder oder Geschwister). |
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Rz. 137
Bei schwerstpflegebedürftigen Menschen (Pflegegrad 4 und 5) sowie blinden Menschen, die Blindengeld nach dem Gesetz über Hilfen für Blinde und Gehörlose oder eine Blindenhilfe nach § 72 SGB XII erhalten, wird grundsätzlich nur ein Einkommenseinsatz von 40 % des die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommens zugemutet (§ 87 Abs. 1 S. 3 SGB XII). Ausgehend davon haben sich bei den Leistungsträgern zur einheitlichen Auslegung des Begriffes "angemessener Umfang" bezogen auf die Pflegebedürftigkeit des Hilfesuchenden allgemeine Grundsätze herausgebildet.
Rz. 138
Für Menschen in stationären Einrichtungen und ihre Einsatzgemeinschaft ist der Einkommenseinsatz damit aber noch nicht abgeschlossen. § 88 SGB XII regelt den Einsatz des Einkommens auch unterhalb der Einkommensgrenze. Sie soll in angemessenem Umfang erfolgen, wenn eine Person voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf. Diese ist dabei grundsätzlich verpflichtet, zur Deckung ihrer Heimkosten generell ihr gesamtes Einkommen bis auf einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung einzusetzen.
Bei der Berechnung des Einkommens, das ein Bezieher von Hilfen in speziellen Lebenslagen, insbesond...