Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 466
Das Widerspruchsverfahren im Sozialrecht ist in den §§ 77 ff. SGG geregelt. Diese sind gem. § 62 SGB X gegenüber den §§ 68 ff. VwGO vorrangig, sofern der Sozialrechtsweg für eine Sachmaterie des § 51 SGG einschlägig ist. Sozialhilferechtliche Streitigkeiten sind seit dem 1.1.2005 durch § 51 Abs. 1 Nr. 4a und 6a SGG an die Sozialgerichte verwiesen.
Hinweis
Der Sozialhilfeempfänger, der sich gegen eine Überleitung wehrt, ist nach § 183 SGG gerichtskostenfrei. Der Anspruchsverpflichtete gehört dagegen nicht zu dem in § 183 S. 1 SGG genannten Personenkreis, für den die Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kostenfrei sind.
Die benannte Höhe der übergeleiteten Forderung entspricht nicht zwangsläufig der wirtschaftlichen Bedeutung der Überleitung für den Kläger. Diese hängt letztlich vielmehr davon ab, in welcher Höhe er aus der übergeleiteten Forderung in Anspruch genommen wird. Der Streitwert einer Klage gegen eine Überleitung richtet sich deshalb nach dem Auffangstreitwert, wenn die Überleitung nur dem Grunde nach erfolgt ist. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Anfechtungsklage gegen eine Überleitungsanzeige bestimmt sich nach der Höhe des übergeleiteten Anspruchs, wenn dieser vom Sozialhilfeträger nach bewirkter (wirksamer) Überleitung (absehbar) geltend gemacht werden wird. Nach anderer Ansicht ist es sachgerecht, im Falle der Bezifferung des übergegangenen Anspruchs einen Abschlag vorzunehmen und den Streitwert grundsätzlich mit der Hälfte der bezifferten Anspruchshöhe zu bemessen. Eine höhere Streitwertfestsetzung soll nur gerechtfertigt sein, wenn z.B. feststehe, dass keine Einwände gegen die Forderung erhoben würden oder sie tituliert sei. Vom Auffangstreitwert könne allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Höhe der Überleitung oder sonst die Bestimmtheit des Verwaltungsakts streitig sind und auch im Übrigen das wirtschaftliche Interesse nicht weiter zu Tage trete.
Rz. 467
Da die Überleitung sowohl gegenüber dem Leistungsberechtigten als auch gegenüber dem Drittschuldner ein Verwaltungsakt ist, ist er deshalb auch von beiden Beteiligten mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbar. Das macht den Verpflichteten verfahrensrechtlich nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X zum Verfahrensbeteiligten und gibt ihm damit auch das Recht auf Akteneinsicht. Nach § 25 SGB X hat die Behörde Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Kommt es auf die Rechtmäßigkeit der erbrachten Leistungen, z.T. weit in der Vergangenheit, für den Übergang des Anspruches dem Grunde und der Höhe nach an, liegt ein ausreichendes rechtliches Interesse vor.
Rz. 468
§ 93 Abs. 3 SGB XII bestimmt ausdrücklich, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Einstweiliger Rechtsschutz kann daher nur durch einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG erlangt werden. Streitig ist, ob als Prüfungsmaßstab darauf abzustellen ist, ob ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige bestehen oder ob offensichtliche Rechtswidrigkeit zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung notwendig ist. Dies hat das LSG München z.B. in einer Entscheidung zur Überleitung eines Pflichtteilsanspruchs aus einem Testament mit Sanktionsklausel für die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden offengelassen, dazu aber eine selbstständig Auslegung des Testaments vorgenommen, die grundsätzlich vom Zivilgericht vorzunehmen ist. Es war der Auffassung, dass eine Auslegung des Ehegattentestaments in dem Sinne möglich sei, dass die Anwendung der Sanktionsklausel bei Geltendmachung des Pflichtteils durch den Sozialhilfeträger ausschließt.
Rz. 469
Durch die Überleitung wird unmittelbar in das Rechtsverhältnis des Leistungsempfängers zum Dritten eingegriffen; denn aufgrund der Überleitungsanzeige steht dem Dritten nunmehr ein neuer Gläubiger gegenüber, soweit der übergeleitete Anspruch besteht. Der Dritte ist also als Betroffener anzuhören und im Rechtsstreit beizuladen.
Rz. 470
Der Mangel fehlender Anhörung wird im Widerspruchsverfahren durch Nachholung der Anhörung gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt, wenn der Betroffene aus der Begründung des Verwaltungsaktes wissen kann, welche Tatsachen entscheidungserheblich sind, er durch die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen wurde und sein Vorbringen im Widerspruchsbescheid auch gewürdigt wird.
Die Überleitung entfaltet für die Zivilgerichte Bindungswirkung, auch, wenn sie rechtswidrig, aber nicht ausdrücklich aufgehoben wurde oder nicht nichtig ist. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überleitung erfolgt also zivilgerichtlich nicht.
Rz. 471
Fraglich ist, ob ein Zivilprozess gem. § 148 ZPO auszusetzen ist, solange ein Widerspruch bzw. eine Anfechtungsklage rechtshängig ist. Die h.M. verneint dies. Da nach § 93 Abs. 3 SGB XII Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende...