Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 75
"Normativ" ist etwas anders in § 82 Abs. 7 SGB XII geregelt. Danach werden einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der Einnahme erbracht worden sind, im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig zu verteilen und mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. In begründeten Einzelfällen ist der Anrechnungszeitraum nach § 82 Abs. 7 S. 2 SGB XII angemessen zu verkürzen. In dieser Zeit ist das Einkommen weiter Einkommen und wird nicht zu Vermögen. Unter § 82 Abs. 7 SGB XII fallen einmalige Zuflüsse im Bedarfszeitraum, wie z.B.:
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Lebensversicherungen |
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Schenkungen |
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Zuflüsse aus Erbschaften, Vermächtnissen und Pflichtteilen. |
Rz. 76
Fraglich ist aber, was mit übriggebliebenem Einkommen am Ende des Verteilzeitraums passiert. Mutiert es dann automatisch zu Vermögen mit der Chance dort Schontatbestände auszuloten? Wird die Bedürftigkeit dann nach den Einsatz- und Verwertungsregeln des Vermögens bestimmt? Oder bleibt es beim Rechtscharakter des Einkommens? Das ist ungeklärt.
Für das SGB II hatte das BSG entschieden, dass die rechtliche Wirkung des Zuflussprinzips nicht im Monat des Zuflusses ende. Sie erstrecke sich auf den sog. "Verteilzeitraum". Der Verteilzeitraum beginne grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des Zuflusses der einmaligen Einnahme und erfasse zunächst den gesamten Bewilligungszeitraum und ggf. die Zeit darüber hinaus. Er endet nicht durch eine neue Antragstellung. Ein Zufluss sei zur Deckung des Hilfebedarfs grundsätzlich bis zu seinem Verbrauch aufzuteilen. Die erneute Antragstellung allein ändere den "Aggregatzustand“ der Einnahme nicht. Sie "mutiere" durch erneute Antragstellung nicht gleichsam zu Vermögen. Nur wenn die Hilfebedürftigkeit ohne Berücksichtigung der zu verteilenden einmaligen Einnahme und ohne sonstige, nicht nachhaltige Zuwendungen Dritter überwunden werde, lägen bei erneutem Eintritt der Hilfebedürftigkeit geänderte Verhältnisse vor. Bei einer die Beendigung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat bewirkenden Änderung sei es nicht mehr gerechtfertigt, die zuvor berücksichtigte einmalige Einnahme nach erneuter Antragstellung weiterhin als Einkommen leistungsmindernd anzusetzen. Es handelt sich um einen Zufluss vor der erneuten – vergleichbar der ersten – Antragstellung und dem "Wiedereintritt" von Hilfebedürftigkeit. Der Zufluss wäre daher ab diesem Zeitpunkt als Vermögen zu berücksichtigen."
Hinweis
Wenn im Erbfall zwischen dessen Eintritt und dem Zufluss der Mittel die Hilfebedürftigkeit aufgrund autark erworbener eigener und nicht durch einen Dritten zugewendeter Mittel für mindestens einen Kalendermonat entfällt, dann ist der Leistungsfall beendet und im neuen Leistungszeitraum kann dann der Zufluss von Mitteln aufgrund des Erbfalls als Vermögen behandelt werden.
Rz. 77
Ebenfalls im SGB II wurde ausdrücklich eine neue Verteilregel aufgenommen. Aus den Gesetzesmaterialien zur Schaffung von § 11a SGB II ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch weiterhin von der Möglichkeit der Wandlung des "Aggregatzustandes" eines Zuflusses ausgeht. Dazu heißt es an einer Stelle zum privilegierten Einkommen: "Obergrenze für die Nichtberücksichtigung derartiger Zuwendungen sind die geltenden Vermögensfreibeträge, da die Zuwendung im Monat nach dem Zufluss" Vermögen wird.“
Rz. 78
Auch der 4. Senat des BSG hat in einer Entscheidung für das SGB II entschieden, dass der Wandel vom Einkommen zum Vermögen im SGB II möglich ist. Die Begründung erstaunt angesichts des Verbotes der Vermögensbildung im Sozialhilferecht. Der Wandel soll möglich sein, "weil eine Erstreckung über den im Gesetz angelegten Bewilligungszeitraum (von 12 Monaten) hinaus den Leistungsbezieher mit hohen einmaligen Einnahmen unbillig lange von der Möglichkeit einer Vermögensbildung ausnehmen würde." Die Begründung muss angesichts des geltenden Subsidiaritätsprinzips erstaunen, aber sie belegt den Willen der Rechtsprechung, den Wandel von Einkommen in Vermögen als generell möglich zuzulassen.
Eine ererbte Immobilie mit einem erbfallbezogenen Zuflusszeitpunkt im Bedarfszeitraum kann daher sowohl als Einkommen als auch Vermögen geprüft werden.