Rz. 485

Der Nachlasspfleger hat zu beachten, dass der Erbe gemäß § 102 SGB XII mit dem Nachlass gegenüber dem Sozialhilfeträger für etwaige Ersatzansprüche rechtmäßig bewilligter Sozialhilfeleistungen (vgl. § 8 SGB XII) haftet.[372] Eine Ausnahme gilt nur für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 ff. SGB II (vgl. Rdn 276). Einschränkungen gelten nach § 105 Abs. 2 SGB XII auch für die Kosten der Unterkunft, die zu 56 % freigestellt werden.[373] Wie bei der Rentenversicherung handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch des Sozialhilfeträgers. Dieser entsteht kraft Gesetzes. Die Ersatzpflicht besteht nur für Leistungen, die innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall gewährt wurden. Dabei ordnet das Gesetz bereits eine Haftungsbeschränkung für den Erben an. Dieser haftet nur mit dem Nachlass. Als Wert des Nachlasses ist das den Erben angefallene Aktivvermögen abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten zu verstehen. Hierbei sind auch die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung abzuziehen,[374] allerdings nicht die Kosten einer Dauergrabpflege.[375] Reicht der Nachlass nicht aus, kann sich der Erbe auf die Dürftigkeit des Nachlasses (§ 1990 BGB) berufen, die aber auch von Amts wegen zu beachten ist.[376]

 

Rz. 486

Es besteht allerdings ein einmaliger Freibetrag: Eine Ersatzpflicht besteht nach § 102 Abs. 1 S. 2 SGB XII nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Der Grundbetrag berechnet sich wiederum nach dem Doppelten des Eckregelsatzes, so dass der Freibetrag das 6-fache des Eckregelsatzes beträgt. Dies führt dazu, dass in den neuen und in den alten Bundesländern unterschiedliche Freibeträge gelten, da die Regelsätze unterschiedlich hoch sind. Zum 1.1.2011 wurden anstelle des Regelsatzes nach langer Diskussion im Rahmen der Hartz IV-Reform 2011 Regelbedarfsstufen eingeführt und für die Stufe 1 ein Betrag von 364 EUR festgesetzt, so dass sich aktuell ein Freibetrag in Höhe von 2.424 EUR[377] ergibt.

 

Rz. 487

Eine Einschränkung der Inanspruchnahme kann sich ebenfalls ergeben, wenn diese für den Erben nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine unzumutbare Härte bedeuten würde, § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII. Eine besondere Härte kann vorliegen, wenn der Erbe nachhaltig den Wert des Nachlasses erhöht hat, z.B. durch die Führung eines Schmerzensgeldprozesses.[378] Ob dies auf den Nachlasspfleger übertragbar ist, ist zweifelhaft, da er diese Ansprüche ja nicht aufgrund persönlichen Engagements realisiert, sondern aufgrund seiner amtlich bestellten Sicherungs- und Verwaltungstätigkeit, die er auch vergütet erhält.

 

Rz. 488

Zu beachten ist weiterhin, dass ein sogenannter Erbenfreibetrag besteht. Nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII gilt auch hier der Freibetrag vom Nachlass wie der o.g. Freibetrag von den Sozialhilfeaufwendungen. Er beträgt mithin ebenfalls 2.424 EUR.[379]

Bei der Abwicklung des dürftigen Nachlasses ist insofern zu berücksichtigen, dass ein nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten verbleibendes Vermögen in Höhe des Erbenfreibetrages den unbekannten Erben zusteht, ggf. ist das Erbrecht des Fiskus festzustellen (siehe § 9 Rdn 24).

 

Rz. 489

Gegenüber dem Sozialhilfeträger kommt der Nachlasspfleger seiner Auskunftsverpflichtung insoweit nach, als dass er eine Abschrift des Nachlassverzeichnisses übermittelt. Der Nachlasspfleger ist gehalten, die Berechnungen des Sozialhilfeträgers hinsichtlich des Erstattungsbetrages zu überprüfen. Diese sind oft fehlerhaft, da das Nachlassverzeichnis als Grundlage für die Berechnung des Ersatzanspruches herangezogen wird. Da sich der Reinnachlass (abzustellen ist nämlich auf den Wert des Nachlasses zum Todestag) im Laufe der Tätigkeit des Nachlasspflegers durch weiter eingehende Informationen verändern kann, kann eine Berechnung des Ersatzanspruches erst nach Abrechnung des Nachlasses erfolgen. Der Anspruch erlischt im Übrigen gemäß § 102 Abs. 4 SGB XII drei Jahre nach dem Tod des Leistungsempfängers.

[372] Vgl. im Einzelnen: Conradis, ZEV 2005, 379 ff.; bei zu Unrecht erbrachten Leistungen ist die Inanspruchnahme nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 50 SGB X möglich, vgl. hierzu; Doering-Striening, § 5 Rn 278 ff.
[373] Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII § 105 Rn 14.
[374] OVG Lüneburg FEVS 31, 179.
[375] SG Frankfurt v. 28.11.2008 – S 36 SO 212/05, BeckRS 2009, 50555.
[376] BVerwG v. 23.9.1982 – 5 C 109.81, BVerwGE 66, 161 = NDV 1983, 215.
[377] 2016: 2.424 EUR; 2015: 2.394 EUR; 2014: 2.346 EUR; 2013: 2.292 EUR; 2012: 2.244 EUR; 2011: 2.184 EUR.
[378] SG Frankfurt v. 28.11.2008 – S 36 SO 212/05, BeckRS 2009, 50555.
[379] 2016: 2.424 EUR; 2015: 2.394 EUR; 2014: 2.346 EUR; 2013: 2.292 EUR; 2012: 2.244 EUR; 2011: 2.184 EUR.

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