a) Grundlagen

 

Rz. 664

Es ist zwar zutreffend, dass die Eigentumsverhältnisse und die konkrete rechtliche Lage der Vermögensverhältnisse für die Ehegatten in der Regel keine Bedeutung erlangen, solange ihre Ehe intakt ist.[445] Die konkrete Rechtslage während des Zusammenlebens der Ehegatten in intakter Ehe ist aber von entscheidender Bedeutung für den Rechtsanwender und damit insbesondere für den Rechtsanwalt, obwohl sie mit entsprechenden Fällen regelmäßig erst konfrontiert werden, wenn die Ehe in die Krise geraten ist und die Ehegatten deshalb getrennt leben oder getrennt leben wollen. Die große Anzahl solcher Fälle mit ihren zahlreichen und zugleich schwierigen rechtlichen Problemen lässt sich nämlich nur dann angemessen und zutreffend lösen, wenn die Lösung auf der Basis der exakten und fundierten Kenntnis der Rechtslage während intakter Ehe erfolgt. Diese wird deshalb im Anschluss dargestellt. Insbesondere das schwierige Verhältnis von § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.1 BGB und §§ 743 ff. BGB ist dabei zu klären.

 

Rz. 665

So sind beide Ehegatten als Miteigentümer nach §§ 903 S. 1 (der Eigentümer kann mit der Sache nach Belieben verfahren), 743 Abs. 2 BGB befugt, sämtliche in ihrem Miteigentum stehenden Gegenstände mitzubenutzen und zu gebrauchen, solange nicht der Mitgebrauch des jeweils anderen Miteigentümer-Ehegatten beeinträchtigt wird. Gleichzeitig räumt ihnen § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.1 BGB an denselben Gegenständen ein Recht zur Mitbenutzung und zum Mitbesitz jedenfalls insoweit ein, als es sich um Haushaltsgegenstände und die Ehewohnung handelt. Darüber hinaus sind selbst an sich eheneutrale Rechtsverhältnisse der Ehegatten § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.1 BGB nie ganz entzogen, es gibt keine vollständige Abstraktionen von der Ehe und damit auch keine Abstraktionen von § 1353 BGB, wenn Ehegatten in ein Rechtsverhältnis eintreten, dass jedermann zugänglich ist.[446] Das wirft die Frage des Verhältnisses von § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.2 BGB zu §§ 743 ff. BGB auf.

 

Rz. 666

Häufig ist zu lesen, die Bruchteilsgemeinschaft der Ehegatten werde durch die eheliche Lebensgemeinschaft "überlagert".[447] Eine solche Überlagerung setze sowohl dem Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, als auch der Verfügungsbefugnis über den Miteigentumsanteil Grenzen. Vor allem bei der Frage, wer die mit dem Miteigentum verbundenen Lasten nach der Trennung zu tragen habe, sei die Bruchteilsgemeinschaft durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert. Das sich aus der Ehe ergebende Recht auf Mitbenutzung der Ehewohnung stelle ebenfalls eine derartige Überlagerung dar.[448]

 

Rz. 667

 

Praxistipp

Es bleibt bei diesen Ausführungen offen, was genau die "Überlagerung" einer Norm oder eines Normenkomplexes durch eine andere Norm oder einen anderen Normenkomplexes überhaupt seien soll, dementsprechend welche Voraussetzungen sie hat, welche methodische Kategorie sie im Rahmen der Konkurrenz mehrere Rechtssätze oder Regeln darstellt und in welchem Verhältnis sie zu bekannten Figuren der Normenkonkurrenz steht, insbesondere zur Spezialität und zur Subsidiarität in Folge erschöpfende Regelung. Der Ausdruck der "Überlagerung" ist schillernd, inhaltlich gänzlich unbestimmt und deshalb zur Bestimmung des Verhältnisses mehrerer Normen oder Normenkomplexe unbrauchbar. Diese erfolgt hier im Anschluss mithilfe der herkömmlichen Instrumente bei auftretenden Konkurrenzproblemen.

Es ist deshalb für den Rechtsanwalt jedenfalls aussichtsreich – da die Ergebnisse der Rechtsprechung zufällig sind –, methodisch fundiert zu argumentieren und so das Ergebnis im konkreten Fall entscheidend zu beeinflussen.

[445] So zutreffend Wever, Rn 32.
[446] Gernhuber/Coester-Waltjen, § 19 Rn 17.
[447] BGH FamRZ 1988, 264; Klein/Roßmann, FamVermR, Kap. 2 Rn 561; Wever, Rn 46 m.w.N.
[448] Wever, Rn 46.

b) Das Konkurrenzverhältnis

 

Rz. 668

Die Tatbestände mehrerer Rechtssätze können sich in vollem Umfang oder teilweise decken, sodass ein und derselbe Sachverhalt von ihnen erfasst wird. Man spricht dann von einem Zusammentreffen oder einer Konkurrenz der Rechtssätze. Diese Sachlage ist hier gegeben, da §§ 743 ff. BGB und § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.1 BGB bei denselben Sachverhalten eingreifen und den Mitgebrauch des Gegenstands bestimmen.

 

Rz. 669

Es stellt sich die Frage, ob die §§ 743 ff. BGB und das aus dem Recht und der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.1 BGB folgende Recht zum Mitgebrauch und Mitbesitz von Haushaltsgegenständen und Ehewohnung nebeneinander verwirklicht werden können, d.h., ob kumulative Normenkonkurrenz oder Anspruchshäufung vorliegt. In einem solchen Falle treten die Rechtsfolgen der Normen nebeneinander ein, sie stören einander nicht.[449] Liegt demgegenüber eine sogenannte normverdrängende Konkurrenz vor, so verdrängt eine Norm oder ein Normenkomplex den anderen, sodass nur eine Norm zur Anwendung kommt. Das ist vor allem der Fall, wenn eine Norm als "lex specialis" anzusehen ist, d.h. wenn der in der speziellen Norm geregelte Fall ein Unterfall des Tatbestandes der generellen Norm ist.[45...

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