Michael Brix, Alexander Erbarth
Rz. 137
Der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB entsteht nicht erst mit vollständiger oder teilweiser Befriedigung des Gläubigers, sondern bereits mit der Entstehung der Gesamtschuld.
Er kann also Anspruch gegen den Mitgesamtschuldner, gerichtet auf Erbringung der Leistung an den Gläubiger bereits zu einem Zeitpunkt geltend gemacht werden, zudem der dies fordernde Gesamtschuldner noch gar keine Leistung an den Gläubiger erbracht hat.
(aa) Zwingende Voraussetzung der Fälligkeit
Rz. 138
Der vorbezeichnete Freistellungsanspruch hat seine Grundlage allein in § 426 BGB, insbesondere ist § 257 BGB auf diesen nicht anwendbar.
Nach dieser Vorschrift könnte auch ein Freistellungsanspruch bzgl. der Hauptschuld geltend gemacht werden, die noch gar nicht fällig ist. Denn in diesem Fall ist der Schuldner eines Freistellungsanspruchs jedenfalls verpflichtet, bei fehlender Fälligkeit statt der Befreiung Sicherheit nach §§ 232 ff. BGB zu leisten.
Der Befreiungsanspruch nach § 426 BGB setzt aber die Fälligkeit der Verbindlichkeit im Außenverhältnis zwingend voraus. Für nicht fällige Teile der Hauptschuld kann gegen den oder die anderen Gesamtschuldner ein Ausgleichsanspruch (noch) nicht geltend gemacht werden.
Haften also beide Ehegatten für ein Darlehen gegenüber einem Kreditinstitut, dass sie für die Schaffung eines im Alleineigentum des Ehemannes stehenden Hausgrundstücks verwandt haben, so ist im Innenverhältnis nach Scheitern der Ehe zwar der Ehemann allein für die Rückführung der Darlehensverbindlichkeiten verantwortlich. Die Ehefrau kann vom ihm aber nicht die (vorzeitige) Rückführung noch nicht fälliger Verbindlichkeiten verlangen, sondern ist durch die im Außenverhältnis getroffenen Fälligkeitsabreden gebunden, so dass sie mit ihren nachvollziehbarem Interesse, z.B. die eigene Kreditlinie für zukünftig weiter aufzunehmende Darlehensverbindlichkeiten freizumachen, zurückzustehen hat.
Entsprechend gilt, dass der aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB resultierende Anspruch auf Freistellung die vollständige Fälligkeit der Gläubigerforderung voraussetzt und erst dann selbst fällig ist/wird. Denn wenn der Gläubiger seinerseits noch nicht berechtigt ist, Leistungen von den Gesamtschuldnern zu verlangen, gibt es keine Grundlage für eine Verpflichtung einzelner Gesamtschuldner, die anderen bereits auf eine (dann vorzeitige) Befriedigung des Gläubigers in Anspruch zu nehmen.
(bb) Wechselbeziehungen zum Recht des Auftrags (§ 662 BGB, insbesondere § 670 BGB)
Rz. 139
§ 426 BGB schließt weitere Ausgleichsansprüche insbesondere nach Auftragsrecht nicht aus. Allerdings bestehen solche nur, wenn ein Auftragsverhältnis als weiteres Schuldverhältnis auch tatsächlich besteht.
In Betracht kommt dies namentlich dann, wenn von einem Ehegatten eingegangene Verbindlichkeiten ausschließlich dem wirtschaftlichen Interesse des anderen Ehegatten nützen. Hieraus kann sich dann ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB ergeben, der auch bei noch nicht gegebener Fälligkeit verfolgt werden kann, unter Anwendung von § 257 BGB und dann ggf. zur Verpflichtung zur Erbringung einer Sicherheitsleistung trotz fehlender Fälligkeit führt.
Bei Eheleuten unterliegt aber die Geltendmachung des Befreiungsanspruchs nach §§ 670, 257 BGB mannigfaltigen Einschränkungen aufgrund Überlagerungen durch eheliche Lebensgemeinschaft, der generellen Geltung der Regelungen in § 242 BGB "Treu und Glauben" und den Vertragsumständen.
Dies kann in der konkreten Ausprägung führen zur Verpflichtung der Einräumung von Ratenzahlungen, Erstellung eines realistischen Tilgungsplans etc. In Betracht kommt dies insbesondere in den angesprochenen Fällen, in denen die Forderungen des Gläubigers selbst noch nicht fällig sind.