Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 41
Zum 1.1.2022 ist § 130d ZPO in Kraft treten (Hervorhebungen durch die Verfasser):
Zitat
§ 130d ZPO Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden
"Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen."
Rz. 42
Korrespondierende Vorschriften zu § 130d ZPO sind z.B. in § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG, § 55d VwGO u. § 52d FGO enthalten. Zu den elektronischen Einreichpflichten siehe auch die Kapitel § 17 (Mahnverfahren und ZV), § 19 (Fachgerichtsbarkeiten) und § 20 (Straf- und OWi-Verfahren) mit weitergehenden Ausführungen.
Rz. 43
Die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal "durch einen Rechtsanwalt", das sich nicht nur in § 130d ZPO, sondern auch in § 46g S. 1 ArbGG findet, rollen- oder statusbezogen zu verstehen ist, war bereits Gegenstand der Rechtsprechung. Für den Fall eines Verbandsmitarbeiters (hier: Rechtsschutzsekretär), der zur Ausübung eines Nebenberufs über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt, sei, so das ArbG Stuttgart, dieses Tatbestandsmerkmal rollen- und nicht statusbezogen zu verstehen, weshalb dieser Verbandsmitarbeiter, der im Rahmen seiner Verbandstätigkeit nicht als Rechtsanwalt auftritt, bis zum Beginn der elektronischen Einreichpflicht der Verbände (1.1.2026) Schriftsätze wirksam nach den allgemeinen Vorschriften in Papierform einreichen kann. Diese Auffassung ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Andere Gerichte, wie das FG Berlin-Brandenburg, sehen eine Einreichpflicht (hier gem. § 52d S. 1 FGO), wenn ein Rechtsanwalt, der zusätzlich Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist, einen Antrag auf finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung einreicht, und halten die herkömmliche Einreichung nicht mehr für zulässig. Die BRAK rät zu "äußerster Vorsicht" und dazu, als Rechtsanwalt "immer die elektronische Form der Einreichung" zu wählen, gleich, ob man als "Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt, Berufsbetreuer, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit für sich selbst auftritt." Das FG Hessen vertritt – zu Recht – die Auffassung, dass keine elektronische Einreichpflicht einer prozessbevollmächtigten Personengesellschaft aus Steuerberatern und Rechtsanwälten bei Klageerhebung durch einen nur als Steuerberater, aber nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Gesellschafter besteht. Diese Entscheidung korrespondiert mit dem Beschluss des BGH, dass ein Patentanwalt nicht verpflichtet ist, sich einen Anwalt mit "beA" zu suchen, da er eigenständig vor Gericht auftreten kann. In dieser Entscheidung ging es zwar um eine notwendige Fristwahrung, die Argumente greifen unseres Erachtens aber auch hier. Jedoch Vorsicht: Sofern diese Gesellschaft aufgrund notwendiger oder beantragter Zulassung über ein Gesellschafts-beA verfügt, ist dies sicherlich anders zu sehen, da die Berufsausübungsgesellschaft rechtsdienstleistungsbefugt und zur Vertretung in Prozessen berechtigt ist, siehe §§ 59k u. l BRAO sowie die Ausführungen zum Gesellschafts-beA in § 2 Rdn 19. Insofern ist dann auch die Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz unter dem Licht zu sehen, dass die hier betroffene PartmbB zum damaligen Zeitpunkt noch nicht über ein Gesellschafts-beA verfügen (konnte); inzwischen aber aufgrund ihrer Verpflichtung einen Zulassungsantrag gem. § 209a i.V.m. § 59f Abs. 1 BRAO bis spätestens zum 1.11.2022 stellen zu müssen, zu sehen. Das FG Rheinland-Pfalz sah eine elektronische Einreichpflicht des Partners dieser Berufsausübungsgesellschaft, der Steuerberater und Rechtsanwalt war, deshalb als gegeben an, weil es allein auf die Zulassung der einzureichenden Person als Rechtsanwalt ankäme, unabhängig von der Bevollmächtigung einer Sozietät (hier somit Statusverständnis). Auch das AG Ludwigshafen wendet die "Statusfunktion" für anwaltliche Insolvenzverwalter und damit auch § 130d ZPO i.V.m. § 4 InsO an. Nach unserer Auffassung kann es aber nur auf das Rollen- nicht auf das Statusverständnis ankommen. Auch wenn es für Gerichte komfortabel ist, wenn sie sich auf den Standpunkt stellen "Einmal Anwalt – immer Anwalt" und auf die jeweilige Rolle im Prozess keine Rücksicht nehmen müssen, bleibt doch festzuhalten, dass schon Datenschutz- und Verschwiegenheitsgründe es gebieten, Tätigkeiten innerhalb der jeweiligen Rollen auch über diese Rolle und damit konsequenterweise auch über das der Rolle zugeordnete besondere elektronische Postfach, falls vorhanden, abzuwickeln. El...