Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
a) Vorübergehende technische Störung, § 130d S. 2 ZPO
Rz. 56
Eine Ausnahme von der elektronischen Einreichpflicht besteht bei vorübergehender technischer Störung. Detailliert hierzu ist nachfolgend in Ziff. 5 ab Rdn 76 unten ausgeführt.
b) Überschreitung des Höchstvolumens, § 3 ERVV
Rz. 57
§ 3 ERVV regelt die Zulässigkeit der Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die Höchstvolumen, die bei Übermittlung einer beA-Nachricht zulässig sind, überschritten werden:
Zitat
"Wird glaubhaft gemacht, dass die nach § 5 Absatz 1 Nummer 3 bekanntgemachten Höchstgrenzen für die Anzahl oder das Volumen elektronischer Dokumente nicht eingehalten werden können, kann die Übermittlung als Schriftsatz nach den allgemeinen Vorschriften erfolgen, möglichst unter Beifügung des Schriftsatzes und der Anlagen als elektronische Dokumente auf einem nach § 5 Absatz 1 Nummer 4 bekanntgemachten zulässigen physischen Datenträger."
Rz. 58
Dies bedeutet: Werden die entsprechenden Höchstvolumina überschritten, kann die Übermittlung des Schriftsatzes nach den allgemeinen Vorschriften erfolgen. Die allgemeinen Vorschriften meint bezogen auf die ZPO die Einreichung gem. § 130 Nr. 6 ZPO, auch "schriftliche Einreichung" genannt. Die zur Zeit der Drucklegung zulässige Maximalanzahl an elektronischen Dokumenten, die pro beA-Nachricht übermittelt werden können, sind 200; die maximale MB-Zahl pro Nachricht beträgt zurzeit 100. Eine Anhebung ist bereits in der 2. ERVB 2022 für den Zeitraum ab 1.1.2023 vorgesehen (max. 1.000 Dokumente; max. 200 MB), siehe dazu auch ausführlich § 12 Rdn 43 ff. in diesem Werk.
Rz. 59
Schriftsatz und Anlagen sollen im Fall der Einreichung nach den allgemeinen Vorschriften aufgrund der Überschreitung der Höchstgrenzen möglichst auf einem nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 bekannt gemachten zulässigen physischen Datenträger (Anm. zzt. CD/DVD) übermittelt werden, siehe hierzu auch § 12 Rdn 46 in diesem Werk. Diese Form der zusätzlichen Einreichung der elektronischen Dokumente auf CD oder DVD stellt jedoch nicht die Ersatzeinreichung dar, sondern dient lediglich dem verständlicherweise gewünschten Bearbeitungskomfort bei den Gerichten; aus diesem Grund heißt es in § 3 ERVV auch "möglichst". Die Ersatzeinreichung ist nach diesseitiger Ansicht vielmehr die Einreichung gem. § 130 Nr. 6 ZPO.
c) Materiell-rechtliche Erklärungen
Rz. 60
Der Gesetzgeber wollte ausdrücklich, dass Vorgaben des materiellen Rechts, wie etwa § 2356 Abs. 1 S. 1 BGB, der die Vorlage von öffentlichen Urkunden oder Ausfertigungen in gerichtlichen Verfahren vorschreibt, als leges speciales von der allgemeinen Nutzungspflicht elektronischer Kommunikationswege unberührt bleiben. Hierzu der Gesetzgeber konkret:
Zitat
"Dasselbe gilt erst recht für die Vorlage von Urkunden, die vom Gericht zu informatorischen Zwecken (§§ 122, 273 Absatz 2 Nummer 5 ZPO) oder zu Beweiszwecken angeordnet worden ist. Satz 1 schließt überdies nicht die Einreichung von Papierunterlagen aus, die im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zur Weiterleitung an eine ausländische Stelle bestimmt sind. Soweit in allen diesen Fällen zusätzlich eine Abschrift der vorzulegenden oder weiterzuleitenden Dokumente in Papierform für die Akten eingereicht werden soll, ist die Pflicht zur Einreichung in elektronischer Form allerdings zu beachten."
Rz. 61
Zu Erklärungen, Anlagen u. Vollmachten vgl. auch das eigenständige Kapitel § 12 ab Rdn 114 ff. in diesem Werk.
d) Mündlicher Vortrag
Rz. 62
Sofern ein Anwalt sich entscheidet, im amtsgerichtlichen Verfahren vom Recht des mündlichen Vortrags anstelle der schriftlichen Einreichung der Klage, Klageerwiderung, sonstiger Anträge und Erklärungen einer Partei gem. § 496 ZPO Gebrauch zu machen, besteht keine Verpflichtung zur Einreichung elektronischer Dokumente, auch nicht im Nachgang. Die Pflicht besteht jedoch dann, wenn sich ein Anwalt entscheidet, schriftlich einzureichen; dann darf dies grundsätzlich nur noch elektronisch geschehen, auch beim Amtsgericht. Der Richter kann das Wahlrecht einer Partei allerdings gem. § 129 Abs. 2 ZPO beschränken; darauf muss geachtet werden!
Rz. 63
In der Praxis dürfte § 496 ZPO im Anwaltsprozess eher eine untergeordnete Rolle z.B. bei Klagen spielen, da hier alle Anforderungen an deren Inhalt nach § 253 ZPO erfüllt sein müssen.
Rz. 64
Vorsicht: In Ehe- und Familienstreitsachen gilt § 496 ZPO ausdrücklich nicht, § 113 Abs. 1 FamFG.
e) Übergabe von Schriftsätzen im Gerichtstermin?
Rz. 65
Zu Recht sprechen sich Hettenbach und Müller dafür aus, dass die Überreichung eines Schriftsatzes im Termin nicht "per se" eine Missachtung von Gericht und Gegner darstellt, sondern vielmehr zulässiges prozesstaktisches Mittel für Klageerweiterungen und Widerklagen sind, sowie zudem materiell-rechtlich auch zur Ausübung von Gestaltungsrechten dient.
Rz. 66
Fraglich ist allerdings, inwieweit diese Übergabe eines schriftlichen Dokuments mit § 130d ZPO korrespondiert oder kollidiert...