Dr. iur. Nikolas Hölscher
(1) Ausschlagungserklärung
Rz. 20
Erklärt dagegen der Pflichtteilsberechtigte fristgerecht (siehe Rdn 30 ff.) die Ausschlagung, so erhält er den vollen Pflichtteilsanspruch. Schlägt der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner einer Zugewinngemeinschaft aus, so kommt es zur güterrechtlichen Lösung: Er erhält den sog. kleinen Pflichtteil und den Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 3 BGB); einen Anspruch auf den sog. großen Pflichtteil, der sich nach dem gem. § 1371 Abs. 1 BGB rechnerisch erhöhten Erbteil bemisst, hat er jedoch nicht.
Rz. 21
Die Ausschlagung hat gegenüber dem Nachlassgericht in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen (§ 1945 Abs. 1 BGB). Daher kann im bloßen Pflichtteilsverlangen nicht die Ausschlagung gesehen werden.
(2) Gegenstand der Ausschlagung
Rz. 22
In jüngerer Vergangenheit wurde problematisiert, worauf sich die Ausschlagung des Erben nach § 2306 Abs. 1 BGB eigentlich bezieht. Im Wesentlichen werden hierzu drei Auffassungen vertreten:
Rz. 23
(1) Zum einen wird verlangt, dass die Erbschaft allein aus dem Berufungsgrund der testamentarischen Erbfolge ausgeschlagen werden dürfe. Dabei könne in der Ausschlagungserklärung selbst der Beweggrund für die Ausschlagung und damit auch ausdrücklich § 2306 BGB genannt werden; daraus ergebe sich, dass der Erklärende trotz der Ausschlagung noch seinen Pflichtteil verlangen möchte. Zur Begründung wird hierzu angegeben, dass zum einen nach dem Wortlaut des § 2306 Abs. 1 BGB sich die Ausschlagungserklärung nur auf den hinterlassenen, also den gewillkürten Erbteil beziehen dürfe. Zum anderen wird angeführt, dass bei einer umfassenden Ausschlagung der Erbschaft gerade kein Pflichtteilsanspruch mehr bestehe, weil kein Ausschluss von der Erbfolge i.S.d. § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB durch Verfügung von Todes wegen vorliege, sondern der Verlust der Erbschaft auf der Ausschlagung beruht.
Rz. 24
(2) Nach der Gegenauffassung ist demgegenüber eine umfassende Ausschlagung erforderlich, die alle Berufungsgründe erfasse, also sowohl eine Ausschlagung der Erbschaft, die auf eine Verfügung von Todes wegen beruht, als auch der Erbschaft, die sich kraft Gesetzes ergibt. Denn es sei zu beachten, dass eine Person bei der Ausschlagung allein aus dem Berufungsgrund der testamentarischen Erbfolge immer noch Erbe aufgrund gesetzlicher Erbfolge werden könne. Dies könne sich etwa daraus ergeben, dass aufgrund des Testaments oder zumindest seiner Auslegung weder eine Ersatzerbfolge (§ 2096 BGB) noch eine Anwachsung an die ebenfalls eingesetzten Miterben erfolge (§ 2064 BGB) oder dass auch diese nicht zur Erbfolge gelangten, weil sie ebenfalls die Erbschaft ausschlagen. Dann aber sei der pflichtteilsberechtigte Erbe nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen. Andererseits bedeute eine umfassende Ausschlagungserklärung nicht, dass der Ausschlagende auf seinen Pflichtteil verzichten möchte.
Rz. 25
(3) Daneben wird auch eine differenzierende Meinung vertreten. Diese hält beide zuvor genannten Auffassungen für unzutreffend und zu pauschal. Vielmehr müsse sich die Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 BGB stets auf alle diejenigen Sachverhalte beziehen, bei denen die anfallenden Erbteile mit Beschränkungen oder Beschwerungen im Sinne dieser Vorschrift belastet sind. Daher lasse sich nicht abstrakt generell beurteilen, ob die hinterlassene Erbschaft immer nur nach dem Berufungsgrund der gesetzlichen oder der testamentarischen Erbfolge oder umgekehrt stets umfassend auszuschlagen sei. Maßgeblich seien vielmehr die entsprechenden Umstände des Einzelfalls. Für diese Auffassung spreche bereits der Wortlaut des § 2306 Abs. 1 BGB. Denn dieser verlangt ganz allgemein, dass "der Erbteil" ausgeschlagen werde. Dies sei unabhängig davon, ob es sich um den gewillkürten oder den gesetzlichen Erbteil handelt. So sei es durchaus möglich, dass jemandem kraft Gesetzes ein Erbteil zufällt, die ebenfalls mit Beschränkungen oder Beschwerungen im Sinne dieser Vorschrift belastet ist. Und wie sich aus § 1948 Abs. 1 BGB ergibt, kann eine Erbschaft aus dem einen Berufungsgrund ausgeschlagen und aus dem anderen angenommen werden. Zudem ergebe sich die Richtigkeit dieser Auffassung auch aus dem Sinn und Zweck des § 2306 BGB. Dies ist eine Schutznorm für den Pflichtteilsberechtigten. Sie will diesen davor bewahren, dass er zwar formal zum Erben eingesetzt wird und ihm deshalb mangels eines Ausschlusses von der gesetzlichen Erbfolge kein Pflichtteil zustehe, aber diese Erbenstellung durch diese Beschränkungen und Beschwerungen wirtschaftlich entwertet und daher die durch das Pflichtteilsrecht vermittelte Mindestteilhabe des nächsten Familienangehörigen ausgehöhlt wird. Deshalb enthalte § 2306 BGB eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass derjenige, der die ihm hinterl...