Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 153
Offizielle Patientenverfügungsmuster für Mandanten jüdischen Glaubens finden sich ebenfalls nicht. Ein Textmuster hat der Bielefelder Oberarzt Dr. med Stephan Probst der Verfasserin freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Probst wies in einer Veröffentlichung 2014 darauf hin, dass es in Israel seit 2005 gesetzliche Regelungen gibt, die allgemeine Richtlinien zu Therapieentscheidungen für und bei Patienten am Lebensende definieren. Aus einem über 100 Paragrafen umfassenden Gesetzesvorschlag sei ein Gesetz geworden, das heute in Israel die Grundlage für Entscheidungen am Lebensende in Einklang mit der Halacha, auch nach orthodoxen Maßstäben, darstelle. Solange es in Deutschland keine eigenen jüdischen Texte gebe, könnten diese israelischen Gesetze wegen ihrer anschaulich und klar geschilderten Aspekte zum Abfassen von Willensverfügungen und der Benennung von Vorsorgebevollmächtigten Rat und Unterstützung bei der Abfassung von Patientenverfügungen geben.
Zitat
"Das Judentum stellt die Heiligkeit des Lebens nahezu über alles und die Halacha verbietet eindeutig jede Handlung, die das Leben verkürzt, jedoch widerspricht es ausdrücklich jüdischer Auffassung, Schmerz und Leiden aktiv zu verlängern."
Rz. 154
Die sich daraus ergebenden Grenzfragen werden auch im Judentum nicht einheitlich beantwortet. So setzt das Konzept der Heiligkeit des Lebens nach einer Ansicht die persönliche Freiheit außer Kraft. Ein Menschenleben kann nur von Gott zurückgefordert werden. Ein Patient darf danach einerseits eine lebenserhaltende Behandlung nicht verweigern. Andererseits sollen lebensverlängernde Maßnahmen bei unerträglichen Schmerzen vorenthalten werden können.
Rz. 155
Andere interpretieren die jüdischen Anforderungen so, dass einem unheilbar und schwerstkranken Patienten Sauerstoff und Nahrung zugeführt werden müssen, sogar dann, wenn dies gegen seinen Willen sein sollte. Bluttransfusionen, Sauerstoff, Antibiotika sowie orale und parenterale Ernährung sollen einerseits bei einem unheilbar kranken Patienten bis zu dessen Tod gegeben werden, während sich andere Borasio anschließen und darauf verweisen, dass die palliative Forschung beweise, dass gerade diese Behandlungen Leiden und Schmerzen verursachten. Dies müsse aber dem jüdischen Gesetz gemäß vermieden werden. Die Palliativmedizin stehe deshalb mit der Halacha in Übereinstimmung. Sie messe dem Leben einen allerhöchsten Wert bei, fordere das Lindern von Leid und lehnen ein Hinauszögern des Todes ab. Die Empfehlungen für eine jüdische Patientenverfügung in der Literatur lauten:
Zitat
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Eine Patientenverfügung zu verfassen, die nur jene Behandlungen anspricht, zu deren Veranlassung oder Unterlassung der Ersteller keine Diskussion zulässt und die Angaben zur Behandlung seines Körpers (Organspende) nach dem Ableben enthält. |
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In ihr soll auch festgehalten werden, welche rabbinischen Autoritäten und eventuell auch welche Art und welcher Rechtsbeistand von den Bevollmächtigten zu Rate gezogen werden müssen. |
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Die Patientenverfügung sollte zeitlich begrenzt und laufend aktualisiert werden.“ |