Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 93
Viele Menschen haben Angst, dass Ihnen durch die Erstellung der Patientenverfügung Behandlungsoptionen abgeschnitten werden oder man sie einfach sterben lassen könnte, obwohl sie noch Chancen auf ein Leben nach ihren Vorstellungen haben. Deshalb kann man an den Anfang einen klarstellenden Vorspann aufnehmen, der dann aber im Weiteren auch mit klaren und bestimmten Ausführungen zu den eigenen Vorstellungen einher gehen muss.
Rz. 94
Muster 3.5: Behandlungsvorspann
Muster 3.5: Behandlungsvorspann
Für meine ärztliche und pflegerische Behandlung gilt allgemein:
Ich wünsche ärztliche und pflegerische Behandlung unter Ausschöpfung der medizinisch indizierten Möglichkeiten, solange eine Aussicht auf Heilung oder wesentliche Verbesserung einer Erkrankung besteht oder eine Behandlung chronischer oder schwerer Krankheiten möglich ist, die mir noch eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und Lebensqualität nach meinen nachfolgend dargelegten Vorstellungen (Wichtig: Diese Vorstellungen müssen dann aber auch wirklich später folgen.) ermöglicht.
Ärztliche und/oder pflegerische Untersuchungen, Eingriffe und Behandlungen dürfen nur nach Maßgabe der nachfolgenden Anordnungen durchgeführt werden. Soweit ausdrückliche Regelungen fehlen oder Zweifel entstehen sollten, ist mein mutmaßlicher Wille anhand dieser Patientenverfügung zu ermitteln und einer Entscheidung über eine medizinisch indizierte ärztliche oder pflegerische Behandlung zugrunde zu legen.
aa) Schmerzbehandlung
Rz. 95
Klassische Muster von Patientenverfügungen setzen sich zu Beginn allgemein mit Fragen der Basisversorgung und der Schmerzbehandlung auseinander. Das Lindern von Schmerzen gehört zur Basisbetreuung eines Menschen. Ebenso wie das Lindern von Atemnot, Übelkeit, Stillen von Hunger und Durst auf natürlichem Weg könne diese Maßnahmen nicht von einer Patientenverfügung ausgeschlossen werden. Sie bedürfen daher eigentlich auch keiner Erwähnung. Gleichwohl findet man sie in fast jedem Textmuster.
Rz. 96
Ein Problem stellt die Dosierung eines Medikaments zur Schmerzlinderung dar. Wenn man die Dosis eines Schmerzmedikaments erhöht, um damit die Schmerzen zu lindern, und tritt der Tod eines Patienten deshalb früher ein, so stellt sich die Frage, ob die Lebensverkürzung wegen der Schmerzmedikation einen Strafftatbestand darstellt. "Eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation bei einem sterbenden Patienten wird aber nicht dadurch unzulässig, dass sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann (…). Denn die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ist ein höheres Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit leben zu müssen.“"
Rz. 97
Das Problem ist mittlerweile relativiert, weil es eine Reihe von Studien gibt, die nachweisen konnten, dass die Schmerzbehandlung mit sedierenden Medikamenten gar nicht sicher lebensverkürzend wirkt, sondern sogar leicht lebensverlängernd. Klassische Patientenverfügungen regeln gleichwohl den Fall eines frühzeitigen Versterbens wegen des Gebotes optimaler Schmerzbehandlung in der Regel sehr ausführlich.
Rz. 98
Muster 3.6: Risikoerklärung zur Schmerzbehandlung
Muster 3.6: Risikoerklärung zur Schmerzbehandlung
Stets wünsche ich die weitestgehende Beseitigung von Schmerzen und Atemnot sowie anderen schwerwiegenden belastenden Begleitsymptomen und sonstigen Krankheitserscheinungen durch ärztliche und pflegerische Maßnahmen: Schmerzmittel und Narkotika sollen zur Vermeidung oder Linderung von Schmerzen unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten der modernen Schmerztherapie angewendet werden.
Operative Eingriffe zur Schmerzlinderung sind zulässig.
Versagen alle sonstigen medizinischen Möglichkeiten zur Schmerz- und Symptomkontrolle, so dürfen bewusstseinsdämpfende Mittel zur Beschwerdelinderung eingesetzt werden. Ich nehme dabei bewusst in Kauf:
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die Möglichkeit einer ungewollten, aber mit den Maßnahmen unter Umständen verbundenen Verkürzung meiner Lebenszeit durch schmerz- und symptomlindernde Maßnahmen |
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durch eine solche Behandlung müde und schläfrig zu werden |
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vergleichbar einer Narkose das Bewusstsein zu verlieren. |
Rz. 99
Die Überdosierung von Schmerzmitteln ist in der Praxis heute eher ein geringeres Problem. Für die Anwendung sedierender Medikamente in der Palliativmedizin gilt im Übrigen die Leitlinie der European Association for Palliative Care (EAPC) als richtungsweisend.
Rz. 100
Ein wirkliches Problem ist die Anwendung von nicht geeigneten (vgl. Priscusliste“ potenziell inadäquater Medikation für ältere Menschen), von zu vielen Medikamenten (Multimedikation) oder nicht indizierten Medikamenten. Multimedikation ist ein Alltagsphänomen mit hohem Risikopotential. Sie ist möglichst zu vermeiden. Sie kann neben einem erhöhten Sterberisiko bei älteren Menschen auch zu einer signifikanten Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit führen. Verst...