Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 5
Die Irrtümer darüber, wer über die Belange eines Volljährigen entscheiden darf, sind nahezu unausrottbar. Die Antwort ergibt sich aus den "drei großen B". Berechtigt zu entscheiden und wirksam zu handeln sind:
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der Betroffene |
▪ |
der Bevollmächtigte |
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der Betreuer, |
und zwar in dieser Reihenfolge. Entgegen landläufiger Meinung gelten auch für Familienangehörige keine anderen Regeln. Eine Ausnahme besteht, wenn ein zeitlich befristetes gegenseitiges Notvertretungsrecht von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge besteht (dazu nachfolgend Rdn 20 ff.).
Rz. 6
Grundsätzlich scheidet ein unmittelbares Abstellen auf den Willen des Ehegatten – auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG – aus. Durch die Ehe ist ein Betroffener nicht in seinen Möglichkeiten eingeschränkt, in den rechtlichen Grenzen z.B. über sein eigenes Leben oder dessen Beendigung genauso wie eine nicht verheiratete Person zu entscheiden. Das gilt auch in gesundheitlichen Angelegenheiten. Und das gilt erst recht gegenüber Abkömmlingen oder sonstigen Familienangehörigen. Der Gesetzgeber hat ihnen stattdessen Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen eines Betreuungsverfahrens gegeben (vgl. §§ 7, 274 Abs. 4 Nr. 1, 279 FamFG) und angeordnet, dass nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen im Rahmen der Feststellung des Patientenwillens nach § 1828 Abs. 2 BGB (§ 1901b Abs. 2 BGB a.F.) Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden soll, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.
1. Vorsorgevollmacht
Rz. 7
Die Erteilung einer Vorsorgevollmacht zur Vermeidung einer rechtlichen Betreuung ist Ausdruck des durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts des Menschen. Die Vorsorgevollmacht folgt den allgemeinen Regeln des Stellvertretungsrechtes der §§ 164 ff. BGB, die auch für die im Rahmen der Vorsorgetätigkeit anfallenden geschäftsähnlichen Handlungen analog Anwendung finden. Sie kann Vertretungsmacht in vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Belangen gleichermaßen verleihen. Sie kann aber im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung auch auf die persönlichen Belange des Mandanten beschränkt sein.
Rz. 8
Die Vertretungsmacht ist kein subjektives Recht des Bevollmächtigten, sondern lediglich die Legitimation, für einen anderen durch Handeln in seinem Namen für ihn gültige Regelungen zu treffen.
Um Vorrang gegenüber der Betreuung zu haben, muss die Vollmacht
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wirksam – also im Zustand der Geschäftsfähigkeit – erteilt worden und |
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der Bevollmächtigte geeignet sein. |
Eine erteilte Vollmacht steht der Anordnung einer Betreuung nur dann nicht entgegen, wenn die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht positiv festgestellt werden kann. Die Einwilligungsfähigkeit eines Menschen allein lässt keinen Rückschluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen zu.
Die Eignung des Bevollmächtigten war schon im bisherigen Recht einer der Angriffspunkte, um einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht die Vorrangstellung zu nehmen. So hat der BGH jüngst entschieden, dass sich Mängel im Entscheidungsprozess des handelnden Bevollmächtigten (Nichtberücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe) auf dessen Eignung auswirken können. Dabei ging es um einen Streit zwischen Vater/Ehemann und den – mit einer alleinvertretungsberechtigenden Vollmacht ausgestatten- Kindern über eine 200 km vom Wohnort des Vaters entfernten Heimunterbringung der Mutter/Ehefrau. Einen Eignungsmangel hat die untergerichtliche Literatur in jüngster Zeit auch dann angenommen, wenn ein Betreuer die Impfung ihres besonders gefährdeten Betreuten gegen COVID-19 grundsätzlich, dauerhaft und ungeachtet der sich zuspitzenden Situation ablehnt, ohne dass hierfür tragfähige Erwägungen vorliegen.
Rz. 9
Dreh- und Angelpunkt des neuen Betreuungsrechts sind die Wünsche des Betreuten bzw. auch die des Vollmachtgebers. Deswegen hat der Vorrang der Vorsorgevollmacht gegenüber der Betreuung im neuen Betreuungsrecht Veränderungen bzw. Einschränkungen erfahren. Die durch einen Geschäftsfähigen wirksam erteilte Vorsorgevollmacht macht nach § 1814 Abs. 3 Nr. 1 BGB (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.) die Bestellung eines Betreuers entbehrlich, wenn seine Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1816 Abs. 6 BGB (§§ 1896 Abs. 2, 1897 Abs. 3 BGB a.F.) bezeichneten Personen gehört, gleichermaßen besorgt werden können. Die alte Fassung der trotz der erteilten Vorsorgevollmacht ausgeschlossenen Personen wurde in der Neufassung des Gesetzes auf sämtliche Personen, die zu einem Träger von Einrichtungen oder Diensten, die in der Versorgung des Volljährigen tätig sind, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder einer anderen engen Beziehung stehen, erweitert. "Damit werden die Fälle deutlich ausgeweitet, in denen das Betreuungsgericht trotz des Bestehens einer Vorsorgevollmacht einen Betreuer bestellen und hierdurch einen gegebenenfalls drohenden Missbrauch der Vollma...