Rz. 195

Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe – abschließend[360] – aufheben, wenn (§ 124 ZPO)

die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Verhältnisse vorgetäuscht hat (Nr. 1). Hierunter fallen:

der Vortrag falscher Tatsachen, was auch in einem Verschweigen offenbarungspflichtiger Fakten begründet sein kann,[361]
dass die Sache außergerichtlich durch Vergleich erledigt ist,[362]
dass die Vollstreckung dauerhaft aussichtslos ist,[363]
dass sich der Gegner vorprozessual auf Verjährung berufen hat,[364]
die Angabe falscher bzw. untauglicher Beweismittel,[365]
Verschweigen einer Miterbschaft eines Mehrfamilienhauses,[366]
Zins-Bareinkünfte werden falsch angegeben,[367]
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat (§ 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder eine Erklärung nach § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO oder nur ungenügend abgegeben hat; verletzt die Prozesskostenhilfe-Partei ihre Mitwirkungspflicht aus § 120a Abs. 2 Sätze 1 bis 3 ZPO, dann kann die Aufhebung der Prozesskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erfolgen. Die Feststellung eines solchen Fehlverhaltens setzt regelmäßig voraus, dass der ergebnislosen Aufforderung zur Vorlage einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch eine Mahnung folgt, die im Prozesskostenhilfe-Beiheft zu dokumentieren ist.[368]
Der Sanktionscharakter einer wegen unrichtiger Angaben erfolgten Aufhebung der Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe hindert jedoch nicht deren anschließende erneute Beantragung mit zutreffenden Angaben (Fortführung von Senatsbeschluss vom 19.8.2015 – XII ZB 208/15 – FamRZ 2015, 1874). Die erneute Bewilligung kann in diesem Fall nur mit Wirkung ab der erneuten Antragstellung erfolgen (Leitsatz zu BGH XII ZB 287/17).
Die Regelung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, wonach das Gericht die Bewilligung der Prozesskosten- bzw. Verfahrenskostenhilfe aufheben soll, wenn der Antragsteller absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, ist im Bewilligungsverfahren der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nicht analog anzuwenden (Leitsatz BGH XII ZB 208/15, Beschl. v. 19.8.2015).
 

Rz. 196

  Die Regelung enthält zwei Aufhebungsgründe:
Derjenige handelt in Absicht, der mit Wissen und Wollen mittels falscher Angaben auch eine falsche Bewilligungsentscheidung herbeiführt. Grob fahrlässig handelt derjenige, der aus Gedankenlosigkeit[369] eine falsche Bewilligungsentscheidung herbeiführt; Für die grobe Nachlässigkeit reicht grobe Fahrlässigkeit aus.[370] Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist auch bei nicht vollständiger Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder bei Nichtvorlage wichtiger Unterlagen anwendbar.[371]
Als Sanktion[372] der Nichtabgabe einer angeforderten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO sieht § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ebenfalls einen Aufhebungsgrund. Der Rechtspfleger hat vor einer Anwendung zunächst die Partei unter Fristsetzung aufzufordern eine Erklärung abzugeben.[373] Zwischenzeitlich ist es aufgrund Anordnung des Gesetzgebers auch zulässig, die Vorlage des vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Vordrucks zu verlangen. Die Partei kann die Folge der Aufhebung im Beschwerdeverfahren rückgängig machen, wenn die erforderliche Erklärung nachgeholt wird.[374]

Wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Falle ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind (Nr. 3).

Anzuwenden ist diese Vorschrift, wenn die Partei fahrlässig falsche Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Insofern sind hierbei Umstände zu beachten, die nach bewilligter Prozesskostenhilfe hinzugetreten sind, die zum Zeitpunkt der Bewilligung allerdings nicht erkennbar bzw. bekannt waren.[375] Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich herausstellt, dass die Partei Grundvermögen hat[376] oder aber mutwillig Bedürftigkeit herbeigeführt hat.[377] Ein Rechtsirrtum des Gerichts rechtfertigt die Aufhebung der Prozesskostenhilfe unter Anwendung des § 120a Abs. 2 S. 1 bis 3 ZPO nicht. Die Partei soll auf die Entscheidungen des Gerichts vertrauen dürfen. Ebenso darf keine Aufhebung erfolgen, wenn sich die Zuständigkeit des bearbeitenden Rechtspflegers ändert und nunmehr eine andere Auffassung vertreten wird.[378]

Wenn die Partei länger als drei[379] Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.

Bei der Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Zahlungsrückstands ist dann insbesondere zu...

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