Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
a) Rechtsverstöße
Rz. 478
Die Übereinstimmung des Einigungsstellenspruchs mit geltendem Recht ist gerichtlich voll überprüfbar. Die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs kann aus falschen tatsächlichen Feststellungen der Einigungsstelle oder aus fehlerhaften rechtlichen Würdigungen folgen. Lediglich bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe steht der Einigungsstelle nach umstrittener Auffassung ein begrenzter Beurteilungsspielraum zu.
Insbesondere die Entscheidung der Einigungsstelle über ihre Zuständigkeit unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs kann deshalb erfolgreich darauf gestützt werden, dass die Einigungsstelle zu Unrecht vom Bestehen eines Mitbestimmungsrechts ausgegangen ist oder die Grenzen eines einschlägigen Mitbestimmungsrechts überschritten hat.
Verstöße gegen wesentliche Verfahrensvorschriften der Einigungsstelle sind im Grundsatz ebenfalls überprüfbar. Zu den wesentlichen Verfahrensvorschriften gehört insbesondere das Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs der Parteien durch die Einigungsstelle. Ein Verfahrensfehler ist allerdings dann unbeachtlich, wenn er zwischenzeitlich geheilt wurde.
Der Antragsteller kann Verfahrensverstöße im gerichtlichen Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG auch dann geltend machen, wenn er sie im Einigungsstellenverfahren nicht gerügt hat. Das Gesetz sieht insoweit keine Präklusion vor. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann aber eine Verwirkung in Betracht kommen.
Justiziabel sind schließlich alle sonstigen Rechtsverstöße. Dazu zählen neben Verstößen gegen Grundrechte insbesondere solche gegen gesetzliche Arbeitnehmerschutzbestimmungen, etwa aus dem ArbZG, BUrlG, SGB IX, MuSchG, BEEG, gegen die im Betrieb geltenden Tarifverträge sowie gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätze der §§ 2, 75 und 77 Abs. 3 BetrVG.
b) Ermessensfehler
Rz. 479
Bei der Entscheidung über Regelungsfragen fasst die Einigungsstelle nach § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG ihre Beschlüsse "unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen". Nach umfassender Interessenabwägung kann sich die Einigungsstelle im Rahmen ihres Ermessens den Regelungsvorschlägen des Arbeitgebers oder des Betriebsrats anschließen oder eine eigenständige Regelung treffen.
Die Ausübung des Ermessens durch die Einigungsstelle ist gerichtlich überprüfbar. Die gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung beschränkt sich allerdings auf die Prüfung, ob die Einigungsstelle die Ermessensgrenzen überschritten hat. Eine Überprüfung des Ermessens selber, insbesondere der Zweckmäßigkeit der getroffenen Regelung, scheidet demgegenüber aus.
Kontrollgegenstand ist allein das Entscheidungsergebnis der Einigungsstelle, nicht aber deren Überlegungen und Erwägungen bei der Entscheidungsfindung. Gelangt die Einigungsstelle trotz fehlerhafter Erwägungen zu einem interessengerechten Ergebnis, ist der Spruch also gerichtlich nicht angreifbar.
Eine Überschreitung der Grenzen billigen Ermessens liegt vor, wenn die Einigungsstelle die abzuwägenden Interessen nicht oder nicht vollständig erfasst hat, insbesondere wenn sie die in § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG ausdrücklich als Richtschnur des Ermessens genannten Belange des Betriebs oder der betroffenen Arbeitnehmer nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt hat. Ob die Ermessensgrenzen eingehalten wurden, orientiert sich dabei...